Die Erklärung des Heiligen Messopfers
von Pater Martin von Cochem

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Katechese

Das Opferlamm Jesus - würdigstes Genugtuungsopfer

16. Kapitel

Die hl. Messe ist das würdigste Genugtuungsopfer.

1. Zu Anfang dieses Kapitels sollst du wissen, dass eine jede Sünde vor allem zwei Übel hervorbringt, nämlich die Schuld und die Strafe. Die schwere Schuld oder Ungnade Gottes wird uns durch die Reue und Beichte nachgelassen, wozu uns die hl. Messe Gnade und Hilfe erwirbt; die Schuld der lässlichen Sünden kann auch durch die hl. Messe selbst nachgelassen werden, wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben. Mit der schweren Schuld wird auch immer die ewige Strafe aufgehoben; aber die zeitlichen Strafen, die du hier auf der Erde oder im Fegefeuer abzubüßen hättest, werden nicht alle bei Vergebung der Sünden nachgelassen, sondern gewöhnlich nur zum Teil, nämlich je nachdem die Reue schmerzlicher, die Beichte herzlicher und die Buße peinlicher ist. Weil aber gemeiniglich unsere Reue gar schwach, die Beichte gar schlecht und die Busse gar gering ist, so wird uns auch gemeiniglich von der Strafe nur wenig geschenkt. Was dann übrig ist, müssen wir mit Beten, Wachen, Fasten, Almosen, Wallfahrten, Abtötung, Beichten und Kommunizieren, durch die hl. Messe und Ablässe bezahlen oder im Fegefeuer abbüßen. Alle diese Bußen sind unserer Sinnlichkeit sehr zuwider und werden von vielen nicht verrichtet. Was soll dann aber aus uns werden, welcher Rat bleibt uns da?

2. Wir sollen folgen dem Knechte im Evangelium, von welchem Christus erzählt: "Das Himmelreich ist einem Könige gleich, welcher mit seinen Knechten Abrechnung halten wollte. Da brachte man ihm einen, der war ihm zehntausend Talente schuldig. Da er aber nicht bezahlen konnte, fiel er dem Herrn zu Füssen und sprach: Habe Geduld mit mir, ich will dir alles bezahlen." (Vgl. Matth. 18.) Wer verwundert sich nicht über diesen vermessenen Knecht, welcher nicht um Nachlassung oder Verringung dieser ungeheuren Schuld bat, sondern nur um Aufschub und Geduld. Wie wäre es denn diesem armen Knecht möglich gewesen, die ungeheure Schuld zu bezahlen, und wenn er auch zweihundert Jahre zu leben gehabt hätte? Denn ein Talent hat den Wert von mehr als dreitausend Mark oder Kronen. Nun rechne du aus, wie groß die Schuld von zehntausend Talenten sein mag!

3. Du sollst wissen, dass dies keine wirkliche Geschichte, sondern ein Gleichnis ist, und dass dieser Knecht einen großen Sünder bedeutet, welcher viele schwere Sünden begangen und Gott gegenüber viele Schulden gemacht hat. Du, o Sünder, bist derjenige, zu dem Christus sagt: "Du weißt nicht, wie so elend und erbärmlich, wie so blind und nackt du bist" (Offbg. 3, 17). Ja, du weißt nicht und glaubst auch nicht, in was für schweren Schulden du mit deinen zehntausend Talenten steckst. Wie willst du mit all deinen guten Werken zehntausend Talente bezahlen, der du in deinem ganzen Leben nicht ein einziges Talent verdienen kannst? Ja, eine einzige Todsünde zieht eine so große Strafe nach sich, dass, wenn du dieselbe aus dem reichsten Erbteil oder aus deinen Kräften zahlen solltest, du in Ewigkeit daran zu zahlen hättest. Ich will dir also ein gutes Mittel an die Hand geben, wie du aus dieser ungeheueren Schuld herauskommen kannst. Falle mit dem Knechte deinem Gott und Herrn zu Füßen und sprich: "Habe Geduld mit mir, verleihe mir nur noch einige Zeit zur Buße, so will ich dir alles bezahlen!" Ich will fleißig und andächtig die hl. Messe hören und sie dir zur Bezahlung der schweren Schuld aufopfern.

4. Diesen Rat gibt dir der gelehrte Pater Sanchez mit den Worten: "Wenn du die hl. Messe hörst, so denke daran, dass sie dein eigen ist und dass sie dir sowohl von Gott dem Vater wie Gott dem Sohn geschenkt ist. Dass sie aber dein eigen ist, sagt ja der Priester beim Orate, frates: `Betet, Brüder, dass mein und euer Opfer angenehm werde bei Gott dem allmächtigen Vater." Er sagt zu allen Anwesenden, dass dieses Sakrifizium nicht allein sein Opfer, sondern auch das ihre und folglich auch das deine ist. Wenn du nun dieses wohl er wogen hast, so sprich zu Gott: Wie viel bin ich dir schuldig, o Herr? Bin ich dir vielleicht hundert oder tausend oder zehntausend Talente schuldig? Herr, ich erkenne meine große Schuld und bin erbötig, dieselbe zu bezahlen. Aus meinen Verdiensten kann ich's nicht, wohl aber aus den reichen Verdiensten deines Sohnes, welche auf diesem Altare gegenwärtig und mir zu eigen geschenkt worden sind. Diesen Schatz stelle ich dir vor, nimm du so viel daraus, wie ich schuldig bin. Wenn diese Betrachtung mit lebendigem Glauben geschieht, so bringt sie sehr großen Trost, weil wir in der hl. Messe eine ganz gewisse und vollgenügende Zahlung für unsere Sünden haben. Bis hierher Sanchez.

5. Nun wollen wir sehen, wie groß die Kraft der hl. Messe ist, damit wir desto größeres Vertrauen zu derselben fassen. Die Gottesgelehrten schreiben und lehren, dass die hl. Messe die Nachlassung der zeitlichen Strafen ex opere operato verschaffe,  nämlich aus dem großen Werke, das Christus hier auf der Erde besonders durch sein Leiden und seinen Tod zu unserer Erlösung vollbracht und wodurch er unendliche Verdienste gesammelt hat. Ferner bedeutet dieser Ausdruck, dass die hl. Messe diese Kraft nicht wegen der Frömmigkeit des Priesters, sondern aus sich selbst hat. Dasselbe ist z. B. auch bei der hl. Taufe zu sehen, wo das Kind von einem guten Priester nicht besser und von einem weniger guten nicht schlechter getauft wird, wenn es nur richtig geschieht.

6. Aus dieser einhelligen Meinung und Lehre der Gottesgelehrten erwächst allen armen Sündern ein herzlicher Trost, indem sie versichert werden, dass ihnen jedesmal, wenn sie bei der hl. Messe sind, unfehlbar ein Teil der noch übrig Strafen nachgelassen wird. Nicht allein, wenn sie die hl. Messe ganz andächtig mitbeten, sondern, wenn sie nur ehrerbietig gegenwärtig sind und dem Priester zuschauen. Denn diese Nachlassung entspringt nicht ihrem Mitwirken, sondern hat ihre Quelle in den Verdiensten Christi, wovon Marchantius sagt, Christus habe gewollt und verordnet, dass einem jeden, welcher andächtig bei der hl. Messe zugegen ist, eine besondere Genugtuung und Nachlassung der Strafen zugeeignet werde. Nun mache den Schluss wie viel Strafen derjenige abbüßt, welcher dieselbe mit möglichster Andacht hört und sie zugleich mit dem Priester dem allerhöchsten Gott herzlich aufopfert.

7. Wenn du nun fragst, woher doch solche reiche Verdienste zur Bezahlung aller Schulden kommen, so gebe ich dir zur Antwort: aus der Zueignung der Verdienste Christi. Marchantius bezeugt das mit den Worten: "Die hl. Messe ist eine kräftige Zueignung der Verdienste Christi, ist eine Eröffnung seines reichen Schatzes, damit wir die himmlischen Güter daraus entnehmen und alle unsere Schulden übergenug damit bezahlen mögen." In der Tat teilt Christus seine Verdienste in der hl. Messe reichlich aus und gibt jedem der ohne Todsünde bei derselben zugegen ist, einen guten Teil davon.

8. Um dies recht zu verstehen, sollst du wissen, dass Christus in seinem hl. Leben und Leiden, vorzüglich am hl. Kreuze, einen so reichen Schatz von Verdiensten erworben hat, dass, wenn er ihn auch unter alle gewesenen, jetzigen und zukünftigen Sünder und Sünderinnen austeilen und jedem so viel geben wollte, als zur richtigen Zahlung seiner Schulden und Strafen nötig wäre, er eines jeden Schulden überreichlich bezahlen könnte und doch noch für unzählbare Welten genug übrig behielte. Von diesem reichen Schatz teilt Christus oft aus, nämlich wie wir getauft wurden, wenn wir wahre Reue erwecken, wenn wir beichten, wenn wir kommunizieren und wenn wir gute Werke verrichten. Zu besonders reichlicher Austeilung dieses Schatzes lässt sich Christus bestimmen durch Anhörung und Aufopferung der hl. Messe.

9. Du kannst dir das so vorstellen, als wenn Christus bei der hl. Messe an jeden einzelnen heranträte und ihm ein Stück himmlischen Goldes in seine Hände gäbe, als freigebiges Geschenk zur Vergeltung des Messehörens. Von dieser Beschenkung ist keiner ausgeschlossen, als wer sich im Stande der Todsünde befindet, und wer bei der Messe nur schwätzt, lacht, vorwitzig umhersieht, andere im Gebete stört und freiwillig schläft. Alle anderen bekommen etwas von diesem Schatz, wenn auch nicht gleich viel, sondern je mehr oder weniger andächtig einer ist, desto mehr oder weniger bekommt er auch von diesem himmlischen Gold. Dies kann und soll er gut anlegen, Gott dem Vater aufopfern, seine Schulden damit bezahlen, Tugenden einkaufen, die heiligmachende Gnade vermehren und seine künftige Seligkeit vergrößern. Dies sollen alle armen Sünder und Sünderinnen wohl beachten; wenn sie in eine Sünde gefallen sind, so sollen sie zur Kirche eilen, die hl. Messe mit Andacht hören und dies Gott zur Verzeihung ihrer Sünden, zur Zahlung ihrer Strafen und Besserung ihres Lebens aufopfern, weil sie ja das beste Mittel ist, um Verzeihung zu erlangen, die verschuldeten Strafen abzubüßen und vor dem Rückfall in die Sünden bewahrt zu werden.

 

Wie viele Strafen man durch eine Messe abbüßen kann.

10. Wenn du den vorigen Teil dieses Kapitels aufmerksam gelesen hast, so wird dir ohne Zweifel der Wunsch gekommen sein, zu wissen, wie viele Strafen für deine Sünden du durch eine hl. Messe abbüßen könnest. Auf der einen Seite kommt dabei in Betracht wie viel wert eine hl. Messe ist, auf der anderen Seite, wie viel von diesem Werte du für dich bekommst. Dass der Wert der hl. Messe unendlich groß sei, folgt aus der unendlichen Würde der göttlichen Person Christi, der bei der hl. Messe der eigentliche Opfernde ist; ebenso aus dem Werte der Opfergabe. Jede hl. Messe hat denselben Wert wie die Einsetzungsmesse Christi beim letzten Abendmahl. Es waren sogar alle Werke Christi, die er auf Erden verrichtet hat, von unendlichem Wert wegen der unendlichen Würdigkeit seiner göttlichen Person, woraus folgt, dass das Messopfer auch unendlichen Wertes sei. Aber keinem wird dieser Wert in unendlicher Weise zugeeignet, sonst könnte man mit einer einzigen hl. Messe alle seine ungeheuren Schulden auf einmal abzahlen und brauchte hinfür keine Buße mehr zu tun, was gegen die katholische Lehre ist. Das aber ist gewiss, dass die hl. Messe wegen ihres unendlichen Wertes sehr viele Strafen abbüßen kann; ja, wenn der Mensch mit ungemeiner Andacht eine Messe hörte, so könnte ihm dieselbe alle noch übrigen Schulden und Strafen auf einmal auslöschen. 0 wie sehr sind wir Christen Gott verpflichtet, dass er uns ein so kostbares Opfer geschenkt und ein so leichtes Mittel zur Bezahlung unserer schweren Schulden an die Hand gegeben hat, durch welches wir weit mehr abbüßen können als durch viele schwere Bußwerke.

11. Das bezeugt der hl. Laurentius Justiniani mit folgenden, sehr denkwürdigen Worten: "Leget auf eine Goldwaage alle guten Werke, also alles Beten, Wachen, Fasten Bußkleider, Geisseln, Abtötungen, Wallfahrten und was es sonst noch gibt, alles dieses legt auf die eine Schale der Waage. Auf die andere aber leget nur ein einziges Messopfer, so werdet ihr finden, dass jene vielen niemals dieses eine aufwiegen werden. Denn in der hl. Messe wird derjenige geopfert, in welchem die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt (Kol. 2, 9), welcher ferner einen unvergleichlichen Schatz der Verdienste umschließt und dessen Fürsprache allmächtig ist."

12. Hast du gehört, was dieser heilige Patriarch von Venedig von dem Werte einer einzigen hl. Messe sagt? Hast du seine Meinung auch gut verstanden? Wenn du sie vielleicht vor Verwunderung nicht glauben kannst, so will ich sie dir näher erklären. Wenn du alle genannten Bußwerke verrichtet hättest und sie deinem Gott mit größter Liebe und Andacht aufopfertest, so, würdest du ihm gewiss eine sehr große und angenehme Gabe verehren und eine außerordentliche Freude verursachen. Wenn nun aber ein anderer nur eine einzige Messe andächtig hörte und sie von ganzem Herzen Gott aufopferte, so würde dieser ihm eine unschätzbar köstlichere Gabe verehren und einen unvergleichlich größeren Wohlgefallen erweisen, als du mit deinen Bußwerken getan. Denn du hättest nur lauter menschliche Werke geopfert, der andere aber verehrt Gott lauter göttliche Gaben, nämlich die Verdienste Christi, die Wunden Christi, den Leib Christi, das Blut Christi, das Leiden Christi und die Tugenden Christi, ja den eingeborenen Sohn Gottes selbst, nicht in der Majestät, in welcher er im Himmel thront, sondern in der Demut, in welcher er auf dem Altar unter der Gestalt einer kleinen Hostie liegt, als das unschuldige Lamm, welches wiederum geschlachtet wird, wodurch er dem Vater unendliche Ehre, Lob, Dienst und Wohlgefallen erweist. Nun lege auf die eine Waagschale deine Bußwerke, auf die andere die gehörte Messe, so wirst du sehen, wie viel die hl. Messe deine vielen Bußwerke überwiegt. Nun mache auch den Schluss, wie viele Sündenstrafen eine hl. Messe bezahlen kann. Alle diese Bußwerke, im Stande der heiligmachenden Gnade verrichtet, können doch sicher zeitlichen Strafen einer Todsünde bezahlen, so wird bei andächtige Messe die von mehreren Todsünden abbüßen können.

13. Viel habe ich gesagt, aber ich muss noch Größeres sagen. Pater Ludwig von Argentana schreibt: "Ich schätze zwar alle Bußwerke, welche wir zur Verzeihung unserer Sünden verrichten, sehr hoch; dennoch ist gewiss, wenn einer all sein Lebtag bei Wasser und Brot fastete, wenn er alle Schätze der Welt den Arm als Almosen austeilte, wenn er bis zum Ende der Welt in andächtigem Gebete verharrte, so wären all diese Werke sehr groß und von allen Menschen sehr hoch zu schätzen. Gleichwohl wenn auf die Goldwaage der göttlichen Gerechtigkeit gelegt würden, so würden sie durchaus nicht so schwer wiegen wie eine einzige hl. Messe, in welcher das hochwürdigste Blut Christi geopfert wird. Denn dieses Blut ist von unendlichem Werte, und keine menschlichen Werke sind mit ihm zu vergleichen. Dennoch sind die Bußwerke nicht überflüssig, sondern zur Besserung des Lebens und zur Ausrottung der bösen Gewohnheiten sehr notwendig."

14. 'Wenn aber einer mit diesen Zeugnissen sich nicht begnügen und weiter fragen will, wie viele Peinen des Fegefeuers durch eine hl. Messe abgekürzt und ausgelöscht werden, so gebe ich zur Antwort, dass Gott dies seiner Kirche nicht ausdrücklich geoffenbart hat, gleichwie er auch nicht geoffenbart hat, wie viele, wie schwere und wie lange Peinen er für eine lässliche Sünde den Seelen auflegt. Lehrreich sind dafür aber folgende Worte aus einer Offenbarung der hl. Magdalena von Pazzi: "Die Kirche hat in früheren Zeiten für die schweren Sünden Bußen von fünf oder sieben Jahren auferlegt." Jetzt aber ist die Bosheit der Sünder so hoch gestiegen, dass sie die schweren Bußen nicht mehr annehmen wollen. Deshalb können die alten Bußregeln nicht mehr befolgt werden. "Aber dadurch", so sprach Christus, „ist mir mein Recht nicht genommen worden"; was also nicht hier auf der Erde abgebüßt ist, muss noch im Fegefeuer abgebüßt werden. Hieraus wird klar, dass die armen Seelen wegen ihrer ungebüßten Sünden bis zu vielen Jahren im Fegefeuer leiden müssen und vieler hl. Messen zu ihrer Befreiung bedürftig sein können. Aber die Messen, die wir selbst hören, sind mehr wert für uns als die, welche nachher für uns gelesen werden. Wohl ein tröstlicher und angenehmer Gedanke, welcher einen jeden zum fleißigen Messehören billig sollte antreiben, wo nicht aus Liebe zu Gott, dann wenigstens aus Liebe seiner selbst. Wenn du wegen eines Verbrechens verurteilt worden wärest, dass du eine halbe Stunde auf einem glühenden Rost solltest liegen müssen und dir die Wahl gestellt würde, ob du lieber eine hl. Messe hören oder die halbe Stunde die Qualen aushalten wolltest, würdest du nicht lieber zwanzig, ja hundert Messen hören, damit du die furchtbare Marter von dir abwenden möchtest? Nun ist es gewiss, dass du nach deinem Tode nicht gleich gen Himmel fahren, sondern noch reichlich lange Zeit die Qualen des Fegefeuers wirst aushalten müssen. Imgleichen ist es auch gewiss dass du kein sicheres Mittel hast, um dieser Qual zu entgehen, als eben das andächtige Anhören der hl. Messe. Wie magst du denn so nachlässig sein und manche liebe Messe so leichtsinnig versäumen, da du durch eine jede hl. Messe so viel von deiner Fegefeuerspein abkürzen kannst!

15. Hier möchte nun einer fragen: "Wenn das Hören der hl. Messe so viele Strafen abbüßt, wie viele büßt dann eine Messe ab, welche man lesen lässt?" Ich antworte: Wer zu seinen Lebzeiten eine hl. Messe für sich lesen lässt, büßt noch viel mehr Strafen ab, als wenn er sie nur hört. Denn die besonderen Früchte der hl. Messe kommen dann ihm zu und werden ihm von Gott und dem Priester zugeeignet. Wie viel Früchte das sind, hat Gott seiner Kirche nicht geoffenbart. Aber beachte auch hier wieder die Worte des gelehrten Marchantius: "Wer eine hl. Messe für sich lesen lässt, bekommt viel mehr Nutzen davon, wenn er der Messe beiwohnt, als wenn er sie nicht besucht. Denn wenn er auch den Nutzen bekommt, den der Priester ihm zueignet, so doch nicht dasjenige Verdienst, welches ihm daraus entspringt, dass erselbst mitopfert.

16. Hier muss ich noch auf etwas aufmerksam machen, was weniger bekannt ist. Wenn nämlich jemand eine hl. Messe bestellt in der Meinung, einen Heiligen zu ehren, eine Bitte zu erlangen oder ein Übel von sich abzuwenden, so heißt es meistens nur einfach: Ich hätte gern eine Messe zu Ehren der Mutter Gotte oder ich hätte gern eine für ein krankes Kind u. dgl.; man erwähnt aber gar nicht und denkt auch nicht an den Genugtuungswert der hl. Messe, wem man die Verdienste derselben zuwenden will. Wenn nun der Priester auch nicht daran denkt und das Genugtuungsverdienst der hl. Messe niemandem zuwendet, kommt dasselbe, wie zu vermuten, in den Schatz der Kirche, es sei denn, dass Gott der Herr, die Einfalt der Leute ansehend, ihn die Genugtuung zueignet. Wenn du also eine hl. Messe zu Ehren eines Heiligen oder für irgendeine Not lesen lässt, so denke allezeit daran, dass du den Genugtuungswert der hl. Messe dir vorbehalten willst. So hast du zweifachen Gewinn von einer solchen Messe: Du ehrst den Heiligen, zu dessen Ehre du sie lesen lässt, und bezahlst auch viel von den Strafen, die du für deine Sünden zu leiden schuldig bist. Ebenso erlangst du deine Bitte, wenn es gut für dich ist, und bezahlst auch noch einen großen Teil deiner Schulden. Das möge ein jeder wohl in acht nehmen, weil viel daran gelegen ist.

17. Aus allem, was in diesem Abschnitt gesagt worden, sollten wir neuen Eifer für die hl. Messe schöpfen und uns befleissigen, täglich die hl. Messe zu hören, an Sonn-und Feiertagen aber, wenn möglich, zwei oder drei, damit wir den Rest unserer Strafen dieser Welt abzahlen mögen. Besonders sollten das die großen Sünder tun, welche viele schwere Sünden begangen, aber noch wenig Buße gewirkt haben. Gewiss ist es, dass die göttliche Gerechtigkeit keine Sünde ungestraft lässt. Wahr ist das Sprichwort: Aut poenitendum aut ardentum: entweder büßen oder brennen. Es ist für dich armen Sünder doch weit besser, dass deine Sünden auf dieser Welt selber abbüßest, als dass du sie dem strengen Richter zur Bestrafung in jener Welt überlässt. Kannst du aber keine schwere Buße verrichten, so ergreife die leichte Buße des Messehörens, durch welche du, wie du in diesem Kapitel vernommen, deine alten und neuen Schulden reichlich bezahlen kannst.
   

   

    
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