Die Erklärung des Heiligen
Messopfers
von Pater Martin von Cochem
1. Nach dem Zeugnisse des hl. Johannes hat Christus gesagt:
"Eine größere Liebe hat niemand als diese, dass er sein
Leben hingibt für seine Freunde." (Joh. 15,13.) Weil nämlich
niemand etwas Kostbareres oder Angenehmeres hat als sein
Leben, so kann er einem auch nichts Kostbareres mehr geben.
Die Liebe Christi gegen uns Menschen ist unvergleichlich
grösser gewesen, weil er seine Seele hingegeben hat nicht
für seine Freunde, sondern für seine ärgsten Feinde, u. zw.
nicht eine gewöhnliche, sondern die allerheiligste,
alleredelste Seele. Er sagt: "Ich gebe mein Leben für meine
Schafe." (Joh. 10, 15.) Diese Worte scheinen etwas
Besonderes zu bedeuten. Denn Er sagt nicht:
Ich will mein
Leben geben oder ich
habe es gegeben, sondern: „Ich gebe mein Leben für meine
Schafe.“ D.h. Ich fahre immer fort, mein Leben füe meine
Gläubigen hinzugeben. Dieses nun tut Er täglich bei der hl.
Messe, in welcher er seinen Tod erneuert. Wie das geschieht
will ich erklären.
2. Früher pflegte man oft in
der Fastenzeit das Leiden Christi in einem Trauerspiele
darzustellen. Dabei wurde ein junger Mann an ein Kreuz
geheftet, welcher nach langem Hangen endlich zu sterben
schien und sich so ohnmächtig stellte, als wenn er von
lauter Todesschmerzen bereits seinen Geist aufgäbe, so dass
die Umstehenden zu lauter Mitleid bewegt wurden. Nicht also
geschieht es bei der Messe, da hier niemand die Person des
sterbenden Heilands vertritt. Er hat dieses keinem Engel
oder Heiligen auftragen wollen, weil sie es doch nicht so
vollkommen hätten tun können, wie Er selbst. Damit Gott, der
ganze Himmel und die Erde täglich von Augen haben, wie
erbarmungswürdig Er am Kreuz gestorben ist, stellt Er selbst
in allen Messen ihnen Seinen Tod von, wie Er ihn am Kreuze
gelitten hat. Das will ich zunächst wieder mit einer
Geschichte erklären und danach aus der Lehre der Theologen
beweisen.
3. P Cäsarius aus dem Kloster Heisterbach schreibt: „Bei uns
im Kloster war ein Mönch namens Gottschalk. Als dieser vor 6
Jahren in der Christnacht an einem Nebenaltare zelebrierte,
sah er nach der Wandlung an Stelle der hl. Hostie ein so
Kindlein von überirdischer Schönheit in seinen Händen, nahm
dasselbe in seine Arme, küsste es und empfand eine
unbeschreibliche Freude. Nach einiger Zeit verschwand das
Kindlein und der Pater vollendete die Heilige Messe mit
besonderer Andacht. Nicht
lange danach erkrankte er, und vor seinem Tode offenbarte er
dem Prälaten diese Erscheinung. Dieser erzählte dieselbe
einem Pfarrer, Adolf von Dieveren genannt, der die Pflichten
des Priesteramtes nicht besonders ernst nahm. er erwiderte
seufzend: „Warum offenbart Gott solche Dinge bloß den
Heiligen und im Glauben vollkommenen Männern? Vielmehr
sollte Er arme Sünder wie mich, die wir oft an der Wahrheit
des Heiligen Sakramentes zweifeln, solcher Erscheinungen
würdigen.“ Als er nun
nicht lange nachher bei der hl. Messe die hl. Hostie
zerbrechen wollte, siehe, da sah er darin ein überaus
schönes Knäblein sitzen und ihn freundlich anlächeln.
Hierüber erschrak er anfangs gar sehr, und er musste sich
erst ein wenig erholen, bis er das Kindlein mit Freuden
anzuschauen wagte. Nach einer Weile wollte er wissen, was
auf der anderen Seite der Hostie sein möchte, wendete
dieselbe um und sah Christus am Kreuze hängend, wie er
gleich darauf sein Haupt neigte und seinen Geist aufzugeben
schien. Dieser Anblick ging dem Priester so tief zu Herzen,
dass er Tränen vergoss. Die Gestalt des sterbenden Heilands
blieb lange vor seinen Augen, und lange stand er da, ohne zu
wissen, ob er mit der hl. Messe einhalten oder fortfahren
sollte. Unterdessen verschwand die Gestalt des sterbenden
Heilands, und der Priester vollendete die hl. Messe unter
vielen Tränen. Das Volk wollte nun wissen, was ihm geschehen
sei, und warum er so langsam Messe gelesen habe. Deswegen
stieg er auf die Kanzel, erzählte ihnen die Erscheinung des
Christkindleins und wollte ihnen auch die Gestalt des
sterbenden Christus erklären. Aber sein Herz war so weich,
dass er kaum ein verständliches Wort hervorbringen konnte,
deswegen stieg er von der Kanzel, brachte mehrere Tage in
Reue über seine Sünden und Betrachtung des bitteren Leidens
zu und erzählte vielen frommen Leuten die gehabte
Erscheinung. Diese blieb ihm all sein Lebtag so tief ins
Herz eingedrückt, dass er sein Leben besserte, seine
begangenen Sünden abbüßte und seinen Pfarrkindern fortan mit
dem besten Beispiel voranleuchtete.
4. Aus dieser Erzählung können wir einigermaßen abnehmen,
auf welche Weise unser treuer Erlöser seinen bitteren Tod
Gott und dem ganzen Himmel bei der hl. Messe vor Augen
stellt, nicht um sie zu betrüben, sondern ihnen die große
Liebe, mit welcher Er einen so gar bitteren Tod zur Erlösung
der Welt gelitten hat, zu erkennen zu geben. 0, wenn wir
auch die Gnade haben möchten wie jener Priester, wie gerne
würden wir zur Messe gehen, wie andächtig würden wir die
Messe hören, und was für ein herzliches Mitleiden würden wir
mit unserem Erlöser haben! Sehen wir dieses auch nicht mit
den Augen unseres Hauptes, so sehen wir's doch mit den Augen
unseres Verstandes und halten es fest durch den Glauben
unseres Herzens. Sooft wir diesen Glauben erwecken, so oft
tun wir Christus einen großen Dienst und verdienen jedesmal
einen sehr großen Lohn. Auf dass wir aber dieses desto
fester glauben, so gibt uns Christus bei der hl. Messe
einige klare Andeutungen seines Todes, welche von den
Gottesgelehrten folgendermaßen erklärt werden:
5. Als Christus beim letzten Abendmahl die Konsekration
vornahm, da wollte Er dies nicht auf einmal, noch unter
einerlei Gestalt, sondern zweimal und unter zweierlei
Gestalten tun, um uns seinen Tod aufs lebendigste vor Augen
zu stellen. Er hatte ja wohl über das Brot sprechen können:
„Das ist mein Leib und mein Blut.“ Wenn Er aber dieses getan
hatte, so wäre die Gestalt des Brotes keine klare
Vorstellung seines bitteren Todes gewesen. Darum wollte er
inkraft der Verwandlungsworte zuerst das Brot allein in
seinen hl. Leib verwandeln und danach den Wein ebenso allein
in sein hl. Blut und beides so getrennt seinen Jüngern zu
essen und zu trinken geben. So hat er es auch seiner Kirche
hinterlassen, dass die Priester zunächst das Brot in seinen
Leib verwandeln und zur Anbetung emporheben, und danach den
Wein in sein hl. Blut konsekrieren und aufheben, und auf
solche Weise dem Volke ein klares Bild seines Todes vor
Augen stellen sollen.
6. Hierüber schreibt Lancinius: „Weil der natürliche Tod
durch die gänzliche Trennung des Blutes vom Leibe entsteht,
und Christus auf solche Weise am Kreuze gestorben ist und
das Opfer Seiner selbst hat vollbringen wollen, so wird auch
im Heiligen Messopfer Sein Tod durch die Trennung Seines
Blutes vom Leibe dargestellt. Denn kraft der Wandlungsworte
wird Sein Leib unter der Gestalt des Brotes allein und Sein
Blut unter der Gestalt des Weines allein dargestellt.“ Und
dies ist eine wahre und wirkliche Schlachtung Christi, in
welcher die Wesenheit des Brotes und Weines zerstört und
verwandelt wird. Der hl. Gregor von Nazianz sagt: "Zögere
nicht, für mich zu beten, wann du durch das Wort (bei der
Wandlung) das Wort (d. i. den Sohn Gottes) herabzieht, wann
du in unblutiger Scheidung den Leib und das Blut des Herrn
schlachtest mit dem Opfermesser seines Wortes." Die
Wandlungsworte sind also deswegen, weil durch sie Christi
Leib und Blut unter den getrennten Gestalten gegenwärtig
wird, das geistige Schwert, durch welches das Opferlamm auf
dem Altare geschlachtet wird
7. Weiterhin sagt sehr schön unser P. Gervasius: "Was in der
hl. Messe geopfert wird, ist Christus, aber nicht in der
Gestalt, in welcher Er im Himmel ist, sondern wie Er unter
den Gestalten des Brotes und Weines ist, unter denen Er wie
tot erscheint. Denn Er ist allda in einem solchen Zustande,
dass Er weder Hand noch Fuß bewegen, noch durch seine
Glieder ein lebendiges Werk verrichten kann, obwohl er die
Werke der Seele, nämlich die des Verstandes und des Willens,
übt." Nicht wie ein Lebendiger in seiner himmlischen
Gestalt, sondern wie leblos erscheint hier unserem Blicke
der verherrlichte Christus.
8. Wie diese Darstellung und Erneuerung des bitteren Todes
Christi dem allmächtigen Gott gefällt, mag keine menschliche
Zunge genugsam erklären und auslegen, etwas weniges können
wir wohl davon reden und verstehen. Denn indem Christus in
der hl. Messe dem himmlischen Vater seinen Tod vor Augen
stellt, zeigt und opfert er ihm auch wieder den schweren
Gehorsam, den er ihm bereitwillig geleistet hat. Er war ihm
zwar in allem vollkommen gehorsam, gleichwohl aber verlangte
kein Gehorsam von ihm so Furchtbares und seiner Natur
Widerstrebendes wie dieser, dass er sein edles Leben,
welches ihm über alle Maßen lieb war, lassen und den
allerbittersten Tod erleiden sollte. Diesen harten Gehorsam
beschreibt St. Paulus mit den Worten: "Er hat sich selbst
verdemütigt und ist gehorsam geworden bis zum Tode, ja bis
zum Tode am Kreuze." Auf dass wir aber auch wissen sollten,
wie angenehm dieser harte Gehorsam dem Vater gewesen sei und
wie reichlich er ihn belohnt habe, setzt er hinzu: "Deswegen
hat Gott ihn auch erhöht und ihm einen Namen gegeben, der
über alle Namen ist." (Phil. 2, 8f.). Diesen vortrefflichen
Gehorsam opfert Christus seinem Vater bei der hl. Messe auf
und zugleich mit diesem auch die heroischen Tugenden, mit
welchen er gestorben ist und welche er in seinem Sterben
geübt hat, nämlich seine höchste Unschuld, seine tiefste
Demut, seine unüberwindliche Geduld und seine heiße Liebe,
die er nicht allein zu seinem Vater, sondern auch zu seinen
Kreuzigern, zu seinen Feinden und zu den undankbaren Sündern
tragt.
9. Er zeigt ihm auch die überbitteren Schmerzen, die er im
Sterben gelitten hat, die harten Todesstöße, die sein Herz
empfunden, die Todesangst, die er ausgestanden, den
grausamen Schrei, den er getan hat, und endlich den
allergrimmigsten Stoß, welcher sein Herz gebrochen hat. Dies
alles stellt er ihm so lebhaft dar, als wenn es eben jetzt
geschähe und von neuem wiederholt würde, und erneuert
dadurch das unendliche Wohlgefallen, welches Gott damals an
dem freiwilligen Tode seines allerliebsten Sohnes gehabt
hat, als er sah, wie bereitwillig er denselben ihm zulieb
und zu seiner größeren Ehre auf sich nahm. Wie nun Christus
damals den Zorn seines Vaters gestillt, den Sündern
Barmherzigkeit erworben und die Welt mit Gott versöhnt hat,
so tut er dies immer wieder in allen hl. Messen und erwirbt
uns so großes Heil, dass wir ihm nie genug dafür danken
können.
10. Lasst uns dieses nun genauer beschauen und aus den
Zeugnissen frommer Geisteslehrer vernehmen, wie viel uns
dieser erneuerte Tod Christi nütze. Ich verweise zuerst auf
den hl. Papst Gregorius, welcher also spricht: "Dieses
Schlachtopfer bewahrt die Seelen in besonderer Weise vor dem
ewigen Untergang, indem es den Tod des eingeborenen Sohnes
Gottes durch dieses heilsame Geheimnis darstellt." 0, wohl
ein tröstlicher Spruch für alle diejenigen, welche sich
wegen ihrer Sünden vor der ewigen Verdammnis fürchten. Sagt
ja doch der hl. Gregorius, der mit der Taube als dem
Sinnbild des Heiligen Geistes abgebildet wird, der
geistliche Tod Christi bei der hl. Messe habe solche Kraft,
dass er die Seelen in besonderer Weise vor dem ewigen Tode
bewahre. Willst du denn also vor dem ewigen Tode bewahrt
werden, so höre fleißig die hl. Messe, verehre den bitteren
Tod Christi, und opfere ihn Gott auf zur Bewahrung deiner
Seele vor dem ewigen Tode.
11. Sehr denkwürdig ist auch, was der gelehrte Mansi
schreibt: "Weil der eingeborene Sohn des Allerhöchsten,
welcher sich auf dem Altare des Kreuzes zum blutigen
Schlachtopfer dargebracht hat, in der hl. Messe wiederum
aufgeopfert wird, so folgt daraus unfehlbar der Schluss,
dass die Zelebration einer hl. Messe an sich denselben Wert
habe wie der Tod unseres Erlösers." Dass dies wahr ist und
wie dieser kostbare Spruch zu verstehen sei, wirst du aus
dem folgenden vernehmen.
12. Überaus tröstlich spricht der Kardinal Hosius: "Wiewohl
wir Christum in der Messe nicht wiederum töten, so eignen
wir uns seinen Tod doch nicht anders zu, als wenn er jetzt
den Tod auf sich nähme. In dem blutigen Kreuzesopfer war
sein Tod blutig, bei dem unblutigen Messopfer ist er
unblutig und geistig. Dennoch bringt er die Wirkungen des
blutigen Todes in derselben Weise hervor, als wenn er
wirklich im gegenwärtigen Augenblicke stürbe." Sind das
nichtwunderbare und überaus denkwürdige Worte, dass nämlich
der erneuerte oder geistige Tod Christi ebenso viel bewirkt
und uns ebenso viel nütze, wie uns der leibliche und
schmerzliche Tod Christi genützt hat? Dies behauptet
genannter Kardinal und fügt noch folgende Worte hinzu: "Der
Tod Christi und seine Früchte wird uns in der hl. Messe so
zugeeignet, als wenn Christus wirklich stürbe." Wenn nun
diesem so ist, o, was für eine gewaltige Kraft muss dann die
hl. Messe haben und wie viel Gutes muss sie demjenigen
bringen, welcher ihr andächtig beiwohnt! Wenn du auf dem
Kalvarienberge bei deinem sterbenden Christus gewesen
wärest, o, was für Heil, was für Gnaden und was für geistige
Güter würdest du davongetragen haben! Ebenso viele und
ebenso große Güter könntest du bei jeder hl. Messe erwerben
und davontragen, wenn du dich nur ebenso verhieltest, wie du
dich bei deinem sterbenden Heiland verhalten hättest.
13. Nun merke, was der Abt Rupertus hiervon sagt: "So wahr
als Christus am Kreuze hangend allen, welche ihn erwartet
haben, Verzeihung der Sünden erwirkt hat, ebenso wahr
erwirkt er unter den Gestalten des Brotes und Weines
dieselbe Verzeihung der Sünden." Wie das geschieht, wird im
15. Kapitel erklärt werden. Aus diesem Ausspruche aber
können wir den Trost schöpfen, dass wir durch andächtiges
Beiwohnen der hl. Messe einen guten Teil von den Strafen für
unsere Sünden abbüßen und auslöschen können.
14. Gar schön sagt ferner P. Segneri: "Das Kreuzopfer war
die Ursache, dass alle Sünden vernichtet werden konnten; das
Messopfer aber ist die Ursache, dass die Kraft des
vergossenen Blutes Christi diesem und jenem insbesondere
zugeeignet wird. Der Tod und die Marter Christi haben den
Schatz angesammelt, das Messopfer aber teilt denselben aus.
Der Tod Christi ist eine Schatzkammer für alle, die Messe
aber ist der Schlüssel welcher dieselbe öffnet." Das sind ja
tröstliche Worte, die allen denen, welche an Verdiensten arm
sind, Mut machen sollen, fleißig zur Messe zu gehen und
durch dieselbe ihre Armut zu bereichern. Denn wenn du zur
Messe kommst, dann übergibt dir Christus den Schlüssel zu
seiner überreichen Schatzkammer und erlaubt dir,
hineinzugehen und, soviel als du tragen kannst, d.h.
entsprechend der Größe deiner Andacht, herauszunehmen und
dir zuzueignen.
15. Pater Segneri fährt weiter fort und sagt: "Merket
deswegen, was es heißt, Messe lesen und Messe hören. Es ist
ebenso viel, als bewirken, dass derselbe Gott, der für alle
Menschen insgemein gestorben ist, für mich und für dich und
für einen jeden, der bei der hl. Messe ist, wiederum stirbt,
geradeso als wenn er für einen jeden den Tod erlitte." Nimm
doch diese Worte zu Herzen, mein lieber Leser, und bedenke
doch, was für eine Liebe dir Gott erweist wenn du ihm zulieb
zur Messe gehst. Er vergilt dir diesen Dienst so reichlich,
dass er noch einmal sein Leben für dich dargeben und dir die
Verdienste seines Todes schenken will. Er stirbt für dich
geistiger Weise und ist auch bereit, für dich noch einmal
leiblicher Weise zu sterben, wenn's sein könnte und nötig
wäre.
16. Denn also sprach die Muttergottes zu einem großen Diener
Gottes: "Mein Sohn liebt die Messehörenden so sehr, dass er
für einen jeden, wenn's nötig wäre, sovielmal sterben würde,
wie er andächtige Messen sein Lebtag gehört hat." Das sind
so wunderbare Worte, dass man sie kaum glauben möchte,
gleichwohl sind sie der unendlichen Liebe Christi
entsprechend, die ihn antreibt, täglich nicht nur einmal,
sondern vieltausendmal geistiger Weise für die Sünder zu
sterben. Lerne denn hieraus, dass du täglich mit Andacht die
hl. Messe besuchest und es dir so vorstellst, als wenn du
mit Christo auf den Kalvarienberg gingest und bei ihm in
seinem Leiden und Sterben sein wolltest. Das lehrt dich der
gottselige Thomas von Kempen, welcher also spricht: "Wenn du
Messe liest oder hörst, so soll dir das so groß und neu zu
sein scheinen, als wenn Christus am selbigen Tage zum ersten
Male am Kreuze hangend litte oder stürbe" (Nachf. Chr. 4,2)
Ja, er leidet und stirbt wahrhaftig geistiger Weise für
einen jeden, der der Messe beiwohnt, u. zw. mit derselben
Liebe, mit welcher er für alle Sünder zusammen leiblicher
Weise gestorben ist.
17. 0 Gott, was ist das für eine Liebe und Gnade, dass Jesus
Christus, der Sohn Gottes, für alle Messehörenden gleichsam
wieder stirbt! 0, was für ein großer Nutzen entspringt uns
hieraus! Was für ein großes Heil können wir dadurch
erlangen, was für reiche Verdienste erwerben! Wenn du auf
dem Kalvarienberge gewesen wärest und hättest Gott die
grausamen Todesschmerzen seines sterbenden Sohnes
aufgeopfert, meinst du nicht, dass er dir alle deine Sünden
verziehen hätte, wie dem reuigen Schächer? Ohne allen
Zweifel hätte der mildreiche Vater dir reuevollem Sünder
vollkommenen Ablass all deiner Schulden und Strafen wegen
des allerbittersten Todes seines liebsten Sohnes von Herzen
erteilt. Nun, so tue dies denn auch bei der hl., Messe, weil
dein Jesus da ja leiblicherweise gegenwärtig ist und die
traurige Gestalt seines Hinscheidens annimmt.