Die Erklärung des Heiligen
Messopfers
von Pater Martin von Cochem
Die hl. Messe ist das
beste Dankopfer.
1. Die Wohltaten die wir von der göttlichen Freigebigkeit umsonst empfangen haben und noch täglich empfangen, sind so groß und vielfältig, dass wir dieselben nicht zählen, viel weniger vergelten können. Denn Gott hat uns erschaffen, er hat uns unsere fünf Sinne gegeben, er hat uns gesunde Glieder geschenkt er hat uns eine Seele nach seinem Ebenbilde erschaffen; diese hat der Heilige Geist mit dem Wasser der Taufe gereinigt, mit vielen Tugenden geziert und zu seiner Braut erwählt. Er hat uns einen Schutzengel zu unserem Dienst verordnet; er nährt uns als seine Kinder; verzeiht uns durch die Buße unsere Sünden; er speist uns mit seinem allerheiligsten Fleisch und Blut; er erträgt mit Geduld die Schmach, die wir ihm zufügen; er wartet die Zeit unser Bekehrung ab; er gibt uns gute Einsprechungen; er kommt uns zuvor mit seiner Gnade; er unterrichtet uns durch die Predigt; bewahrt uns vor vielem Übel; er hört unser demütiges Gebet; tröstet uns in unseren Trübsalen; er stärkt uns in unseren Anfechtungen; er behütet uns vor offener Schande; er nimmt unsere guten Werke in Gnaden auf; kurz, er erweist uns unzählbare Wohltaten.
2. Trotzdem der gütige Gott uns diese Guttaten erwiesen hat, hat er sich doch noch nicht mit dieser seiner Freigebigkeit begnügt, sondern, als wenn das alles viel zu gering wäre, so hat er noch diese Gnade hinzugefügt, dass er uns zu seinen Kindern hat annehmen wollen. Diese unschätzbare Wohltat hebt St. Johannes mit folgenden Worten hervor: "Sehet, welche Liebe uns der Vater erwiesen hat, dass wir Gottes Kinder heißen und auch sind." (1.Joh. 3,1.) Der hl. Paulus setzt hinzu: "Wenn aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Erben Gottes und Miterben Christi“. (Röm. 8,17) Ist das nicht eine überaus große Wohltat dass der allerhöchste Herr uns arme Bettler zu seinen Kindern und rechtmäßigen Erben angenommen hat?
3. Zu all diesen Wohltaten hat er noch eine überaus große hinzugefügt, nämlich, da wir wegen unseren Sünden in die Gewalt des Satans gefallen waren, hat er uns durch seinen eigenen Sohn aus dessen Banden erlöst. Diese große Wohltat wollte Christus uns tief ins Herz eindrücken, da er sprach: "So sehr hat Gott die Weit geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn hingab" (Joh. 3,16), nicht allein, dass er unsere arme Natur annehmen, sondern auch den bitteren Tod für uns leiden sollte. Hierbei ist noch zu merken, dass der liebe Gott uns diese Wohltat nicht als seinen Freunden, sondern als seinen Feinden erwiesen hat, was St. Paulus wohl beherzigt und uns zu erwägen vorhält, da er spricht: "Gott erweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns zur Zeit gestorben ist, als wir noch Sünder waren." (Röm. 5, 8f.) Diese Liebe Gottes, ist so gewaltig groß, dass wir sie nie vergelten können.
Wenn dieser großmütige Herr dir keine andere Gnade erwiesen hätte, als dass er dich nur ein einziges Mal mit einem freundlichen Blick angeschaut hätte, gewiss könntest du ihm für solche Wohltat niemals würdig danken, viel weniger dieselbe würdig vergelten, weil er, ein Herr von solcher Majestät sich gewürdigt hätte, dich, einen ganz armseligen Erdenwurm, freundlich anzuschauen. Wie willst du es ihm denn vergelten, dass er, um dich zu seiner beseligenden Anschauung zu bringen, ein so armseliges Leben geführt und einen so bitteren Tod erlitten hat?
4. Osorius schreibt: "Wenn du von jemandem viel Gutes empfangen hast, so bist du verpflichtet, dafür zu sorgen, dass es ihm reich vergolten werde, damit du deinem Guttäter nicht undankbar zu sein scheinst." Da du nun von Gott unzählbare Wohltaten empfangen hast, so bist du ja schuldig, daran zu denken, was du ihm zu würdiger Vergeltung wieder schenken willst. Darum sprich oftmals mit David: "Was soll ich dem Herrn vergelten für alles, was er mir gegeben hat?" (Ps. 115,3); sprich oft mit dem Propheten Michas: "Was soll ich dem Herrn opfern, das seiner würdig wäre?" (Mich. 6, 6); sprich oft mit dem jungen Tobias: Welchen Lohn sollen wir ihm geben, oder womit können seine Wohltaten nach Verdienst vergolten werden? Mit allem Guten sind wir von ihm überhäuft worden, was werden wir ihm Würdiges dafür geben können?" (Tob. 12, 2f.) Was diese heiligen Männer gesprochen und getan haben, das bist auch du schuldig zu sprechen und zu tun. Du bist aufs höchste verpflichtet, deinem Gott für all die genannten großen Wohltaten dankbar zu sein, sofern du nicht in das große Laster der Undankbarkeit verfallen und dich nicht schwer wider deinen Gott versündigen willst.
5. Was willst du, o du armseliger Mensch, nun tun? Wie willst du deine große Schuld bezahlen? Höre, was für einen Rat dir David gibt in seinem 49. Psalm (V. 14): "Opfere Gott ein Opfer des Lobes und bezahle dem Höchsten deine Gelübde." Das allerhöchste Lobopfer, welches du Gott darbringen kannst, ist das hl. Messopfer, wie im vorigen Kapitel erklärt worden ist. Deswegen kannst du deinem größten Wohltäter keinen besseren Dienst erweisen, als dass du fleißig die hl. Messe hörest und sie deinem Gott zur Vergeltung seiner Wohltaten aufopferst. Denn also spricht der hl. Irenäus: "Dieses göttliche Sakrifizium ist deswegen eingesetzt worden, damit wir unserm Gott nicht undankbar seien." Als wollte er sagen: Wenn wir das hl. Messopfer nicht hätten, so hätten wir auf der Welt nichts, wodurch wir unserm Gott seine Wohltaten nach Gebühr vergelten könnten. Nun aber hat uns unser Heiland deswegen die hl. Messe eingesetzt, damit wir ein kräftiges Dankopfer zur Vergeltung der göttlichen Wohltaten besäßen.
6. Dass nun die hl. Messe wirklich ein Dankopfer ist, also zur Danksagung für empfangene Wohltaten aufgeopfert wird, ergibt sich schon aus den Worten des Messbuches. Merke dir doch, was für herzlichen Dank der Priester im Gloria dem lieben Gott ausspricht, wo er sagt: "Wir loben dich, wir benedeien dich, wir beten dich an, wir verherrlichen dich, Wir sagen dir Dank wegen deiner großen Herrlichkeit, dir, Herr und Gott, himmlischer König, allmächtiger Gott und Vater." Bei der Präfation fordert der Priester das Volk zur Danksagung auf mit den Worten: "Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserm Gott; denn es ist wahrhaftig billig und gerecht, würdig und heilsam, dass wir allezeit und allerorten dir Dank sagen, 0 heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott, durch Christum unsern Herr" usw. In der Präfation ist so schön das Lob Gottes ausgesprochen, dass die Kirche ein höheres kaum noch singen kann.
7. Wenn der Priester zur Wandlung kommt, so spricht er folgende Worte: "Er nahm das Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, erhob seine Augen zum Himmel zu dir, Gott, seinem allmächtigen Vater, und sagte Dank." 0 wohl eine wunderbare Erhebung der Augen meines geliebten Jesus, eine kräftige Danksagung, welche allen Dank der Engel übersteigt und alle menschliche Danksagung in ihren Mängeln ersetzt! Denn weil wir unserm Gott nicht genugsam danken können, darum hat Christus damals beim letzten Abendmahle ein vollgültiges Dankopfer eingesetzt. Was er beim letzten Abendmahl getan hat, das tut er noch alle Tage an allen Altären: da hebt er seine milden Augen empor zu seinem himmlischen Vater und sagt ihm für alle uns erwiesenen Wohltaten herzlichen Dank. Da nun diese Danksagung von einer göttlichen Person ausgeht, so kann sie nicht anders als unendlich sein; da sie unendlich ist, so kann Gott keine größere mehr verlangen; da er keine größere verlangen kann, so muss sie ihm zum höchsten gefallen.
8. Wenn du also bei der hl. Messe bist, so vereinige dein Herz und deinen Willen mit dem Herzen und Willen Christi und danke deinem Gott aus allen Kräften. Auf dass aber deine Danksagung desto kräftiger sei, so opfere Gott dem Vater jenen Dank auf, den ihm sein unter den Gestalten von Brot und Wein verborgener Sohn leistet, um an deiner statt für alle dir erwiesenen Guttaten überfließenden Dank abzustatten.
9. Wenn du auch von Anfang deines Lebens an bis auf diese Stunde auf den Knien liegend deinem Gott für die empfangenen Gnaden und Wohltaten gedankt hättest, so hättest du dennoch mit all diesen herzlichen Danksagungen nicht so viel ausgerichtet, als wenn du eine einzige hl. Messe andächtig hörst und dabei Gott deinen Dank aussprichst. Wenn du zur Vermehrung deiner Dankbarkeit alle frommen Menschen eingeladen und gebeten hättest, sie möchten zugleich mit dir Gott danken, und wenn diese allesamt mit dir all dein Lebtag allen nur möglichen Dank geleistet hätten, so wäre das doch nicht so viel, wie Gott aus einer einzigen hl. Messe empfängt. Ja, wenn du auch das ganze Heer des Himmels angerufen und die Engel zugleich mit dir und allen frommen Leuten unaufhörlich mit Engelsandacht Gott gepriesen und gedankt hätten, so würden sie ihm dennoch nicht so große Dankbarkeit erwiesen haben, wie ihm von seinem Sohne in einer einzigen hl. Messe erwiesen wird.
10. Ohne Zweifel verwunderst du dich darüber und verlangst den Grund davon zu wissen; den will ich dir also mit wenigen Worten auseinandersetzen. Die Weltweisen sagen in einem Sprichwort: "Das Endliche steht zum Unendlichen in gar keinem Verhältnis, sondern das Unendliche übertrifft das Endliche in unendlichem Maße.“ Nun sind alle Danksagungen aller himmlischen und irdischen Geschöpfe doch nur endlich, haben endliche Kraft und endlichen Wert. Der Dank aber des Sohnes Gottes, den er bei der hl. Messe seinem Vater leistet, ist unendlich, hat unendliche Kraft und unendlichen Wert. Diese unendliche Danksagung leistet Christus auf dem Altare auch für dich ganz besonders, wenn du der hl. Messe beiwohnst, und schenkt sie dir zum Eigentum; die kannst du nun Gott als deine eigene Danksagung Gott aufopfern, wahrhaft ein unendlicher Dank.
11. 0 Gott, wenn wir recht erkennen könnten, welch großen Schatz wir in der hl. Messe haben, wie glücklich würden wir sein, wie selig würden wir uns schätzen, wie eifrig würden wir die hl. Messe hören! Ich muss hier mit dem hl. Paulus allen Menschen zurufen: "Ich danke meinem Gott allezeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Jesu Christo gegeben ist, dass ihr in allem durch ihn reich geworden seid, so dass es euch an keiner Gnade mangelt" (1. Kor. 1, 4ff.). Durch die hl. Messe sind wir in vollster Wahrheit reich geworden in Christo, so sehr, dass es uns an gar keiner Gnade mangelt, denn wir können ja alle Gnaden in Überfluss schöpfen aus der hl. Messe in welcher größere Schätze der himmlischen Reichtümer verborgen liegen, als die ganze Welt fassen kann. Das kannst du aus diesem einen Gedanken erkennen, dass alle Danksagungen, die du durch dein Gebet und deine guten Werke Gott leisten kannst, in Erwägung seiner unendlichen Majestät nicht höher zu schätzen sind, als wenn du einem zehntausend Pfund Gold schuldig wärest und ihm nicht mehr als zehn Heller zur Bezahlung brächtest. Wenn du aber nur eine andächtige Messe hörst und den göttlichen Dank, den der Sohn Gottes dem Vater durch den Heiligen Geist bringt, der heiligsten Dreifaltigkeit aufopferst, so lobst du deinen Gott mehr und sagst ihm größeren Dank, als ihm alle Bewohner des Himmels und der Erde sagen und leisten können. Denn diese; wie gesagt worden, geben an sich nur einen englischen und menschlichen Dank, du aber einen göttlichen und unschätzbaren. Wirklich: durch die hl. Messe "sind wir in allem reich geworden in Christo Jesu, so, dass es uns an keiner Gnade mangelt."
12. Denn in der hl. Messe haben wir das höchste Brandopfer, das höchste Lobopfer, das höchste Dankopfer, das höchste Bittopfer, das höchste Versöhnungsopfer, das höchste Genugtuungsopfer und das höchste Opfer des Heiles der ganzen Christenheit. Die hl. Messe ist auch der größte Nutzen der Gläubigen, die herzlichste Freude der Andächtigen, die heilsamste Buße der Sünder, der kräftigste Trost der Sterbenden und die sicherste Erlösung der Abgestorbenen. Dieses und noch viel anderes haben wir an der Messe, und in all diesen Meinungen kann man sie aufopfern und mit jeder Messe all diese Früchte und Wirkungen erreichen. So kann ich ja in Wahrheit sagen, dass wir durch die Messe "in allem reich geworden sind in Christo Jesu, so sehr, dass uns nichts mangelt an irgendeiner Gnade."
13. Hier muss ich zum Schluss beifügen, was Pater Segneri sagt: "Bedenke bei dir, o frommer Christ, wie viel wir unserm Heiland wegen der Einsetzung der hl. Messe schuldig sind, denn ohne sie müssten wir unserem Gott für die erteilten Wohltaten undankbar bleiben." Das war doch eine übergroße Liebe zu uns, dass er uns nicht allein unzählbare Wohltaten erwiesen, sondern auch das beste Mittel an die Hand gegeben hat solche große Wohltaten entsprechend zu vergelten. Diese schönen Worte des geistreichen Mannes sollen wir wohl bedenken und uns zunutze machen. Denn sie zeigen klar, was für eine große Wohltat Christus uns erwiesen hat, indem er die hl. Messe auch als Dankopfer einsetzte.
Gebet: So sei dir denn, o göttlicher Heiland, von mir und allen Geschöpfen unendlich gedankt, weil du uns die heilige Messe aus lauter Liebe eingesetzt und dadurch unzählbare Gnaden und Wohltaten erwiesen hast. Zu würdigster Vergeltung derselben opfere ich dir und durch dich der hl. Dreifaltigkeit allen Dank, der dir in allen hl. Messen schon erwiesen worden und bis ans Ende der Welt wird erwiesen werden. Ich bitte auch alle Chöre der Engel und alle Scharen der Heiligen, dass sie zugleich mit uns dir danken und dich in alle Ewigkeit loben, preisen und benedeien mögen. Amen.