Die Erklärung des Heiligen Messopfers
von Pater Martin von Cochem

 Diese Seite wieder schließen


Katechese

Jesus Christus , das Lamm Gottes

14. Kapitel

Die hl. Messe ist das kräftigste Bittopfer



 

1. Im Gesetze des Moses hatte Gott den Juden nicht allein Brandopfer als Zeichen der höchsten Anbetung, sondern auch Friedopfer zur Erlangung zeitlicher Güter und zur Abwendung schädlicher Übel angeordnet. Diese Fried- oder Bittopfer standen bei den Juden in hohem Werte; sie erwarben durch dieselben vieles Gute und wendeten vieles Schlimme von sich ab. Im 1. Buche der Könige lesen wir (Kap. 7), als die Philister die Kinder Israels überfallen wollten, da riefen diese zu Samuel, dass er für sie bei Gott bitten wolle. Dieser opferte für sie ein Lamm und rief Gott um Hilfe an. Da schickte Gott einen Schrecken über die Philister, und sie wurden von den Israeliten in die Flucht geschlagen. Ebenso lesen wir (2. Kön. 24), als Gott das Volk mit der Pest schlug, da opferte David ein Friedopfer und wandte die Pest von dem Volke ab. Dergleichen Beispiele findet man viele in der hl. Schrift.

2. Hat nun Gott dem hartnäckigen Judenvolke ein so kräftiges Bittopfer gegeben, wie viel mehr wird er dann seiner lieben Christenheit ein kräftiges Bittopfer verordnet haben, durch welches sie so viele leibliche und geistige Güter von Gott erbitten und alle schädlichen Übel von sich abwenden könne. Wenn ein Lämmlein als Friedopfer den Opfernden so viele Gnaden erworben hat, was für Kraft wird dann das unschuldige Lamm Gottes haben, wenn es für uns auf dem Altare geschlachtet und von uns mit dem ganzen Schatze seiner Verdienste aufgeopfert wird!

3. Die Kirche ist viel glücklicher als die Synagoge, denn diese konnte ein Schlachtopfer nicht zu mehreren sondern nur zu einem Zweck aufopfern. Ihr Brandopfer diente allein der Anerkennung der höchsten Herrschaft Gottes, ihr Sühnopfer nur zur Verzeihung der Sünden und ihr Bittopfer nur zur Erflehung von Wohltaten. Weil ferner ein jedes auf besondere Weise dargebracht werden musste, so konnte keins in zweierlei Meinung geopfert werden. Die hl. Kirche aber, trotzdem sie nur das eine Opfer hat, kann dasselbe in den verschiedensten Meinungen aufopfern und durch eine einzige hl. Messe mehr erwirken als das Judentum mit all seinen Brand-, Sühn- und Bittopfern.

4. Dass man die hl. Messe in verschiedenen Meinungen aufopfern kann, lehrt uns die Kirche in folgenden Worten des Konzils von Trient (Sitzg. 22, Kan. 3): "Wenn jemand sagt, die hl. Messe sei nur ein Opfer des Lobes und des Dankes oder nur eine bloße Erinnerung an das am Kreuze vollbrachte Opfer, nicht aber auch ein Sühnopfer, oder es nütze einzig dem Opfernden und dürfe nicht für Lebende und Verstorbene, für die Sünden und Strafen, zur Genugtuung und für andere Not aufgeopfert werden, der sei im Banne." Diese Worte sind ein Artikel des Glaubens, dem wir bei Verlust der Seligkeit zustimmen müssen. So ist es denn gewiss, dass eine einzige Messe in vielfacher Meinung gelesen werden kann und durch eine einzige Messe viele Dinge von Gott erbetet und verlangt werden können. Ich kann nämlich eine hl. Messe lesen oder hören oder lesen lassen zur größeren Ehre Gottes, zu größeren Freude der Muttergottes, zu Ehren der Engel und Heiligen, zu meiner eigenen Wohlfahrt, zur Erlangung oder Erhaltung meiner Gesundheit, zur Bewahrung vor Unglück, zur Verzeihung meiner Sünden, zur Besserung meines Lebens, zur Erlangung eines seligen Todes. Um dies alles kann ich auch für meine Freunde und sogar für meine Feinde, ja für alle Gläubigen bitten, und ich kann auch ebendieselbe hl. Messe zur Erlösung aller armen Seelen hören oder lesen lassen. Ja, je mehr Meinungen du machst, um so mehr verdienst du, wie zu Ende dieses Buches noch erklärt werden soll.

5. Wie kräftig nun dieses Bittopfer sei, das lehren uns die Gottesgelehrten, von denen Marchantius folgendes sagt: "Dieses Sakrifizium hat eine unendliche Kraft, etwas zu erbitten, wegen des unendlichen Wertes der Opfergabe und wegen der unendlichen Würdigkeit des eigentlichen Opferpriesters, so sehr, dass keine Gnade oder Gabe so groß ist, dass sie nicht durch Darbringung dieses Opfers erbeten werden könnte. Auch die Zahl der Personen kann nie so groß sein, dass dieses Opfer nicht für alle ausreichte, wenn sie es für sich aufopfern oder von anderen opfern lassen." Der Grund davon ist dieser: "Weil Christus, der eigentliche Opferer, Gott unendlich angenehm ist; weil ferner seine Verdienste, die Gott dem Vater geopfert werden, unendlich sind, und weil seine Leiden, sein Blut und seine Wunden unendlich viel gelten."

6. Diese klaren Worte zeigen uns, woher doch die große Kraft der hl. Messe kommt: ganz und gar aus der Größe der Person Christi. Er opfert dem Vater bei jeder hl. Messe viel mehr, als er von ihm begehrt; wie könnte ihm da der Vater seine Bitte abschlagen? Damit stimmt auch der hl. Laurentius Justiniani überein, denn er sagt gar schön: "Kein Opfer ist grösser, keins nützlicher, keins den Augen der göttlichen Majestät angenehmer als das Opfer der hl. Messe, in welcher unseres Mittlers empfangene Wunden, zugefügte Schmach, erlittene Geißeln usw. gleichsam ans Licht gebracht und dem Vater aufgeopfert werden. Ihm wird auch aufgeopfert die angenommene Menschheit seines Sohnes, damit er anerkenne, den er gezeugt und in die Welt gesandt, auf dass durch seine Fürbitte den Sündern Verzeihung, den Gefallenen Hilfe, den Gerechten das Leben gegeben werde." Wenn also der Priester und das Volk, das die Messe anhört, dem himmlischen Vater das Leiden, das Sterben, die Wunden und die Verdienste Christi vor Augen stellen und aufopfern, so werden ja diese vortrefflichen Gaben und Geschenke gar leicht die Erfüllung einer bescheidenen Bitte erwirken.

7. Im alten Gesetz befahl Gott den Richtern, dass sie keine Geschenke annehmen sollten: "Du sollst nicht auf die Person sehen und kein Geschenk annehmen, denn die Geschenke verblenden die Augen der Weisen und verkehren die Worte der Gerechten" (5. Mos. 16, 19). Mit vollem Recht hat Gott den Richtern die Annahme von Gaben verboten, denn es gibt kein so hartes und festes Herz, das nicht durch Gaben erweicht und zur Gunst für den Gebenden geneigt gemacht wird. Und dennoch darf man behaupten, dass Gott wegen Aufopferung einer Heiligen Messe anders richte und das gefällte Urteil ändere. Wir sind nämlich versichert, dass die göttliche Gerechtigkeit, wenn Sie aus unseren Händen eine so unendlich kostbare Gabe empfängt, sie zugleich mit der göttlichen Barmherzigkeit unser Begehren gutheißen und gleichsam mit eigener Hand unsere Bittschrift unterzeichnen muss. Ich darf natürlich nicht sagen, dass durch diese Gabe die Augen des allerweisesten Gottes verblendet würden, wie die hl. Schrift von den Augen der Menschen sagt. Wohl aber behaupte ich, dass Gott um der hl. Messe willen sein gerechtes Urteil mildert. Die göttliche Gerechtigkeit muss sich ja gleichsam durch diese Gabe für befriedigt erklären und der göttlichen Barmherzigkeit den Weg freilassen.

8. Kisseli sagt deshalb: "In der hl. Messe bitten wir um die göttlichen Wohltaten nicht allein im Namen der Barmherzigkeit, sondern opfern auch den Preis der Verdienste des Leidens Christi, und auf solche Weise kaufen wir gleichsam die begehrten Gaben von Gott mit teurem Preis.“ Bedenke doch, was für kostbare Gaben wir in der hl. Messe opfern und wie teuer wir die erbetenen Wohltaten von Gott einkaufen! Wir opfern ihm die edle Menschheit Christi, die zu größerer Ehre Gottes ist gegeißelt, mit Dornen gekrönt und gekreuzigt worden. Wir opfern ihm dieselbe Menschheit, die mit der Gottheit zu einer Person vereinigt und durch diese Vereinigung aufs höchste geadelt worden ist. Wir opfern ihm auch die Wunden, die Tränen und das teure Blut, welche diese edle heilige Menschheit erlitten und vergossen hat.

9. Wenn man denn also streng genau reden will, so muss man bekennen, dass wir bei Aufopferung der hl. Messe sogar viel mehr geben, als wir durch unser Gebet begehren. Darum ist nicht einzusehen, warum unsere vernünftige Bitte von Gott abgeschlagen werden könnte. Soll denn der freigebige Gott, der versprochen hat, auch einen Trunk kalten Wassers reichlich zu vergelten, uns unbelohnt lassen, da wir ihm den Kelch des Blutes seines Sohnes, welches bei der hl. Messe von neuem vergossen wird, andächtig aufopfern?

10. Christus hat nach dem letzten Abendmahl gesagt: "Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird Er euch geben" (Joh. 16, 23). Wann können wir aber den Vater im Namen des Sohnes besser bitten als bei der hl. Messe, in welcher wir ihn persönlich dem Vater vorstellen und ihn zugleich mit allen Gebeten, die er auf Erden gesprochen, dem Vater aufopfern? St. Bonaventura sagt: "Wenn ein Herzog gefangen genommen wird, so wird er nicht eher entlassen, als bis er sich mit einer großen Summe loskauft; also sollen auch wir Christum, den wir in der hl. Messe als Gefangenen haben, nicht eher freigeben, als bis er uns unsere Sünden verzeiht und den Himmel verspricht. Deswegen hebt der Priester Christum am Altare in die Höhe und ruft gleichsam allem Volke zu: Sehet, derjenige, welchen die Welt nicht fassen kann, ist unser Gefangener; so wollen wir ihn denn nicht eher loslassen, bis wir erhalten, was wir begehren." Das ist gewiss ein guter Rat, dem jeder folgen sollte, sprechend mit dem Patriarchen Jakob: "Ich entlasse dich nicht, ehe du mich gesegnet hast" (1. Mos. 32, 36).

11. In den Jahrbüchern der Kapuziner wird von einer frommen Frau, die ums Jahr 1582 in Spello lebte, erzählt, dass sie einen gar bösen Mann hatte, der sie wie ein Tyrann behandelte und ihr täglich alle Schmach antat. Dieses traurige Dasein führte sie einige Jahre lang und geriet schließlich fast in Verzweiflung. Eines Tages kamen zwei Kapuziner zu ihr ins Haus und baten um Almosen. Sie gewährte ihnen ihre Bitte und klagte ihnen unter Tränen ihre große Not. Die Brüder trösteten sie, so gut sie konnten, und gaben ihr den Rat, täglich die Heilige Messe zu hören und ihr großes Elend dem allmächtigen Gott aufzuopfern; ihr roher Mann würde gewiss durch die Kraft der Heiligen Messe milder werden und sie künftig besser behandeln. Die Frau dankte für diesen guten Rat und versprach, denselben nach Möglichkeit fleißig zu befolgen. Da der Mann jedoch gegen sie so hart war, dass er ihr niemals erlaubte, an Werktagen die Heilige Messe zu hören, so war nun die arme Frau sehr darüber betrübt, dass sie dem Rate der Brüder nicht nachkommen konnte. Bald darauf fügte es Gott, dass der Mann eine weite Reise antrat, wodurch die Frau Gelegenheit erhielt, täglich die Heilige Messe zu hören. Dies tat sie mit besonderer Andacht, empfahl sich und ihren schlimmen Mann in die Heilige Messe, und rief Gott von Herzen an, dass er ihrem Manne einen anderen Sinn geben möchte. Dieser kam eher von seiner Reise zurück, als die Frau gedacht hatte, und wie ihm nun die Magd auf sein Befragen mitteilte, dass seine Frau in der Kirche wäre, und während seiner Abwesenheit täglich die Heilige Messe gehört habe, da ergrimmte der Bösewicht so sehr, dass er sie zum Teufel verwünschte und umzubringen beschloss. Sobald die arme Frau das Haus betrat, ergriff er sie beim Halse und wollte sie erwürgen. Die Frau, welche ihr letztes Stündlein gekommen glaubte, schrie zu Gott und bat ihn durch die Kraft der Heiligen Messe, sie zu erretten. Und siehe, alsbald war die Hilfe Gottes da: die Hände des Mannes erstarrten nämlich plötzlich. Hierdurch gegen sie noch mehr erbittert, hielt er seine Frau für eine Zauberin und bot alle seine Kräfte auf, sie zu erwürgen. Allein er vermochte es nicht, denn seine Hände wurden zuletzt wie Stein so kalt und unbeweglich. Da erst erkannte er die Strafe Gottes, bereute seine schwere Sünde und versprach seiner Frau in allem Ernste, sein gottloses Leben zu bessern und sie fortan als sein Eheweib liebevoll zu behandeln. Alsdann riefen beide die göttliche Barmherzigkeit an und taten viele Gelübde und Versprechungen, bis ihr Flehen endlich erhört wurde, und der Mann seine beiden Hände wieder frei gebrauchen konnte. Diese strenge Züchtigung hat dann auch bei demselben so viel genutzt, dass er sein gottloses Leben wirklich aufgab, sein Eheweib besser behandelte und mit ihr oft die Heilige Messe hörte.

12. Siehe da deutlich an diesen beiden Eheleuten den großen Segen des Heiligen Messopfers. Die arme Frau  hatte ohne Zweifel in ihrer schweren Not schon früher zu Gott um Hilfe gerufen, war aber nicht erhört worden. Erst als sie zur Heiligen Messe gegangen war, um da selbst ihr hartes Leid Gott zu klagen, da erst ward sie nicht bloß von Gott getröstet, sondern ganz und gar aus ihrer Not befreit.

0 wie vielen bedrängten Herzen mag durch die hl. Messe wohl schon geholfen sein! Wie viele sind vor Verzweiflung bewahrt, zu einem besseren Leben bekehrt und aus dem Schlund der Hölle errettet! Denn es muss ja wahr sein, was Molina schreibt: "Durch die so angenehme und reiche Aufopferung der hl. Messe kann ein jeder Mensch alles, was er zu seinem Heil begehrt, von Gott, von der Muttergottes und von allen Heiligen erhalten. Denn durch nichts anderes wird er erwerben können, was ihm nach Aufopferung des Messopfers versagt wird." Die Wahrheit dieses Spruches ist ja in diesem Kapitel zur Genüge bewiesen worden. Denn bei der Messe bittet der Mensch nicht allein, sondern der Priester, die Engel und Christus selbst beten mit ihm und für ihn. Und sie bitten nicht bloß, sondern bringen Gott eine Gabe, die so viel wert ist wie Gott selber. Wenn ihm denn bei solcher guten Gelegenheit seine Bitte abgeschlagen wird, wann und wo wird sie ihm dann bewilligt werden? Darum bleibt es wahr, dass der Mensch durch nichts anderes erwerben kann, was ihn nach Aufopferung des Messopfers versagt bleibt.

13. Hier möchtest du vielleicht fragen: Wenn denn nun die hl. Messe ein so teures Opfer ist, wie kommt es denn, dass Gott trotzdem diejenigen, welche ihm dieselbe aufopfern, nicht allzeit erhört? Diese Frage beantwortet Pater Gobat mit folgendem Grunde: "Wenn wir auch durch die hl. Messe viel leichter als durch jedes andere Gebet den lieben Gott erbitten können, so hängt doch die Wirkung der hl. Messe auch noch von einigen Bedingungen ab, die keineswegs immer erfüllt werden." Kardinal Bona fügt hinzu, dass der Gebende seine Freiheit behalten muss, so dass er nach seinem Gefallen geben oder abschlagen kann. Wir können ihn durch unsere Bitten zwar zum Geben bewegen, aber nicht zwingen. Gleichwohl sei es gewiss, dass auch eine solche Messe ihrer Wirkung nicht beraubt werde. Denn wenn wir auch nicht genau dasjenige erhalten, was wir begehren, so erwerben wir unfehlbar etwas anderes, was uns dienlich ist. Wenn wir's auch nicht sofort bekommen, so doch zu gelegener Zeit, die von Gott bestimmt ist. Etliche Gnaden sind auch so groß, dass wir sie nicht durch eine oder die andere, sondern durch mehrere und andächtigere Messen erhalten.

13. Dies kannst du aus der Antwort Christi entnehmen, die er einstmals der hl. Gertrud gab, da sie zu ihm gesprochen hatte: "Woher kommt es doch, dass mein Gebet so oft gar nichts erreicht?" Da sagte Er: "Wenn ich, die unerforschliche Weisheit, bisweilen dein Gebet nicht deinem Wunsche entsprechend anhöre, so verordne ich jedes Mal Nützlicheres dafür, wenn auch du, durch die menschliche Schwachheit behindert, das Bessere nicht unterscheiden kannst." Als wollte er sagen: Weil du nicht weißt, was dir oder einem anderen nützlicher ist, deswegen gebe ich dir nicht allezeit, was du begehrst, sondern das, was in meiner göttlichen Weisheit als dir oder denen, für die du bittest, nützlicher erkenne. Ein andermal fragte sie Christum: "Was nützet es meinen Freunden, dass ich so viel für sie bete, da ich doch keine Besserung bei ihnen verspüre?" Da sagte Er: "Verwundere dich nicht, dass du keine handgreifliche Frucht deines Gebetes siehst; ich ordne dieselben nach meiner ewigen Weisheit zu bestem Erfolge. Doch sage ich dir: je öfter für einen gebetet wird, desto seliger wird er, denn kein treues Gebet wird ohne Frucht bleiben, wenn auch die Art der Erhörung den Menschen verborgen ist."

14. Mit dieser Antwort kann sich ein jeder begnügen und trösten: denn Christus versichert uns, dass kein andächtiges Gebet ohne Frucht und Belohnung bleibt. Wie viel weniger wird dann eine hl. Messe ohne Frucht bleiben, da sie ja das beste Gebet der Welt ist. Merke aber wohl, dass Christus gesagt hat: "Kein treues Gebet wird ohne Erhörung bleiben." Das "treue" Gebet besteht hauptsächlich darin, dass man mit Vertrauen und ganzem Eifer betet. Wer aber ohne Vertrauen betet, wird wenig oder nichts erhalten, wie aus folgendem Beispiel zu ersehen ist.

15. Im Leben des heiligen Abtes Severinus berichten Surius (2. Jan.), dass einst um das Schloss Coruli eine ungeheure Menge Heuschrecken niederfiel, die sehr großen Schaden an Früchten und Bäumen anrichteten. Da nahm alles Volk seine Zuflucht zu genanntem Heiligen, er möge ihnen in so großer Not durch sein Gebet zu Hilfe kommen. Der mitleidige Abt rief alle zur Kirche, ermahnte sie in einer nachdrücklichen Predigt zur Buße und zum Gebet und sagte am Schlusse der Predigt: "Weil ich kein besseres Gebet kenne als das Opfer der heiligen Messe, so will ich dieselbe jetzt zur Abwendung des gegenwärtigen Übels lesen und ermahne euch, dieselbe zugleich mit mir in der Meinung aufzuopfern und ein festes Vertrauen darauf zu setzen. Das bedrängte Volk kam dieser Ermahnung willig nach. Nur einer sprach: "Fürwahr, eure Hoffnung ist eitel und nichtig; denn wenn ihr schon alle Messen hören und den ganzen Tag im Gebete verharren würdet, so würdet ihr gleichwohl nicht eine einzige Heuschrecke vertreiben." Nach diesen Worten begab er sich nach Hause an seine Arbeit.

Alle anderen aber blieben in der Kirche, hörten die Messe mit Andacht und riefen Gott eifrig um Vertreibung der Heuschrecken an. Sodann gingen sie hinaus auf ihre Äcker, um zu sehen, was sie mit ihrem Messehören erwirkt hatten. Da sahen sie zu ihrer großen Verwunderung, wie die Heuschrecken auf einmal davonflogen. Sie freuten sich herzlich darüber und dankten dem gütigen Gott. Auch der kleingläubige Bauer, der der Messe nicht beigewohnt, war zugegen und traute seinen Augen kaum, als er die Heuschrecken in die Luft fliegen sah. Damit er aber die Sünde seines Misstrauens erkenne und die gebührende Strafe erhielte, so wendete sich das ganze Heer der Heuschrecken, welches schon weit weg war, auf einmal um und ließ sich auf seinem Acker nieder. Da rief er Gott weinend an, aber er blieb ohne Hilfe und Trost. Die Heuschrecken zogen nicht eher ab, bis sie alle Früchte seines Ackers verzehrt hatten.

16. Aus dieser Geschichte lässt sich deutlich die Kraft des Messopfers und die Strafe des Verächters desselben erkennen. Wir sollten aber nicht diesem kleingläubigen Bürger, sondern dem andächtigen Volke folgen und großes Vertrauen auf die Kraft der hl. Messe setzen. Höre, wie St. Paulus so treulich ermahnt: "Darum lasset uns mit Vertrauen hinzutreten zum Gnadenthron, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden, wenn wir Hilfe nötig haben" (Hebr. 4,16). Wo ist aber der Gnadenthron, zu dem Paulus uns einlädt? Es ist nicht der Himmel, denn dahin können wir nicht emporsteigen. Es ist auch nicht der Gnadenthron auf der Bundeslade des Alten Bundes, denn dieser war nur ein Vorbild unseres Gnadenthrones. Es ist vielmehr der heilige Altar, darauf das Lamm Gottes geschlachtet wird und sein Leben für uns hingibt, auf dass es uns Gnade und Barmherzigkeit verschaffe. Zu diesem Gnadenthron sollen wir täglich hinzutreten und allda in unseren Nöten Hilfe suchen. Wir sollen aber mit Andacht, mit Ehrerbietung und mit Vertrauen hinzutreten, denn er ist der Thron der Gnade, nicht der Rache; er ist der Thron der Barmherzigkeit, nicht der Gerechtigkeit; er ist der Thron, wo wir Hilfe, nicht Verstoßung finden. Zu diesem Gnadenthron so erzählt der hl. Augustinus, ist auch die hl. Monika alle Tage geeilt und hat dadurch die Bekehrung ihres Sohnes erreicht - für ihre Beharrlichkeit hat sich der barmherzige Gott ihr gleichsam zum Schuldner gemacht und seine Versprechungen an ihr in herrlichstem Maße erfüllt (Aug. Bekenntn. V, 9). Ihr ahme nach, und hast du etwas zu begehren, so sprich mit ganzem Ernste:

Gebet: Siehe, o Vater der Barmherzigkeit, ich trete in dieser hl. Messe mit Vertrauen hin zu deinem Gnadenthron, damit ich für meine Sünden Barmherzigkeit und in meiner Armseligkeit Hilfe finde. Ich setze mein größtes Vertrauen auf das hochheilige Opfer und hoffe fest, durch Aufopferung der hl. Messe alles zu erhalten. Denn hier opfert der unendlich große, höchste Priester; unendlich ist in ihrem Werte die dargebrachte Opfergabe, die ganze Kraft der hl. Messe ist unendlich. 0 Herr, lass dich durch diese dreifache Unendlichkeit doch gleichsam zwingen, die begehrte Wohltat mir zu erweisen, wenn sie nicht etwa gegen deine Ehre und gegen mein Seelenheil ist. Deswegen bitte ich mit größtem Vertrauen, durch das unendliche Wohlgefallen, das du an dem heiligsten Messopfer hast, du wollest mir zu deiner größeren Ehre die begehrte Gnade erteilen und mein Vertrauen zu der gnadenreichen hl. Messe vermehren. Amen.
zum nächsten Kapitel

 zurück zum Anfang         Diese Seite wieder schließen