Die Erklärung des Heiligen Messopfers
von Pater Martin von Cochem

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Katechese

Jesus Christus, SEIN Opfer der Versöhnung

15. Kapitel

Die hl. Messe ist das heiligste Versöhnungsopfer.

1. Dass die armselige, menschliche Natur, die so oft in Sünd fällt, ein Versöhnungsopfer nötig hat, sagt uns schon die bloße Vernunft, und die Altväter haben dieses schon vor dem Gesetz des Moses erkannt. Denn von dem frommen Job, welcher noch unter dem Naturgesetz lebte, lesen wir, dass er alle acht Tage seine zehn Kinder zu sich gerufen, sie geheiligt und ein Brandopfer für sie dargebracht habe. Er sprach nämlich bei sich: „Es möchten vielleicht meine Söhne (durch ihr Gelage) gesündigt und Gott gelästert haben in ihren Herzen.“ (Job 1,5) Hieraus geht hervor, dass die Patriarchen aus Eingebung der Vernunft dem allmächtigen Vater Versöhnungsopfer dargebracht und ihn um Verzeihung gebeten haben. In dem Gesetze des Moses hatte Gott selbst ein Versöhnungsopfer eingesetzt, denn es heißt, wenn eine Seele sündigt, so soll der Priester ein Lamm oder ein Böcklein opfern, und der Priester für den Sünder beten, und so wird ihm verziehen werden (3. Mos.5,4.6.7.10)

2. Wenn nun das alte Gesetz, welches doch nur ein Schatten des Neuen Bundes war, zum größten Trost und Heil der Juden ein Sühnopfer hatte, so geziemte es sich, dass auch die Kirche oder das christliche Volk ein solches habe, und zwar ein umso vortrefflicheres, je mehr der Neue Bund über den Alten erhaben ist. Das eigentliche Sühnopfer des Neuen Bundes ist das Kreuzesopfer, in dessen Kraft alle Sünden getilgt werden können. Weil aber die Sünden täglich geschehen, so geziemte es sich, dass noch ein Opfer da wäre, das zur Sühne für unsere täglichen Sünden täglich geopfert würde. Davon sagt die Kirche auf dem Konzil von Trient: Christus habe den Aposteln und ihren Nachfolgern im Priestertum das, was er beim letzten Abendmahl getan zu seinem Andenken zu tun befohlen und dadurch die hl. Messe eingesetzt,  "damit er seiner Kirche ein sichtbares Opfer hinterließe, durch welches sein blutiges Kreuzesopfer wieder vorgestellt und dessen heilsame Kraft uns zugeeignet wurde zur Vergebung der Sünden, die wir täglich begehen" (Sitzg. 22, Kap. 1). Das sind die Worte der heiligen katholischen Kirche, wodurch sie uns erklärt, dass Christus beim letzten Abendmahle wahrhaftig die Heilige Messe eingesetzt und seinen Jüngern und Priestern Messe zu lesen befohlen habe. Auch die Ursache gibt uns die Kirche an, da sie hinzufügt: „Auf dass Er Seiner Kirche ein sichtbares göttliches Opfer hinterließe, und Kraft diese heilsamen Opfers uns zugeeignet würde, zur Vergebung der Sünden, die wir täglich begehen.“ Diese Worte sind ein Glaubensartikel, dem niemand widersprechen darf; sie zeigen uns ganz klar, dass die hl. Messe ein Versöhnungsopfer ist, weil sie ja von Christus zu dem Zwecke eingesetzt wurde, "dass seine Kirche ein Opfer habe, zur Nachlassung der täglichen Sünden." 0, glückselig die katholische Kirche, die ein solches Sühnopfer hat!

3. Dass nun die hl. Messe ein wahres Versöhnungsopfer ist und zur Vergebung der Sünden gelesen wird, zeigt klar der Priester, da er zu Anfang derselben tief gebeugt das Konfiteor oder das allgemeine Sündenbekenntnis laut betet und dabei dreimal an Seine Brust schlägt. Nachdem auch der Messdiener im Namen aller Anwesenden dies getan, spricht der Priester über das Volk: "Es erbarme sich euer der allmächtige Gott, er lasse euch eure Sünden nach und führe euch zum ewigen Leben." Danach bezeichnet er sich mit dem hl. Kreuz und spricht: "Die Nachlassung, Lossprechung und Verzeihung unserer Sünden verleihe uns der allmächtige und barmherzige Gott. Amen." Bald darauf ruft er im Kyrie laut die Barmherzigkeit Gottes an, indem er je dreimal sagt: "Herr, erbarme dich unser!" "Christe, erbarme dich unser!" "Herr erbarme dich unser!" Ist dies nicht ein demütiges und andächtiges Rufen, das zum Himmel empor und in das Herz Gottes eindringen muss?

4. Der Priester spricht auch viele Kollekten und andere Gebete, in welchen er immer wieder um Verzeihung der Sünden bittet. Endlich spricht er auch dreimal laut das Agnus Dei. "0 du Lamm Gottes, das du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erbarme dich unser!" Das alles ist ja doch ein klarer Beweis, dass die hl. Messe ein Versöhnungsopfer ist und zur Verzeihung der Sünden gelesen wird.

5. Hiervon schreibt Marchantius: "Gleichwie Christus in seinem Leiden die Sünden der ganzen Welt auf sich genommen hat, um dieselben mit seinem Blute abzubüßen, ebenso legen auch wir auf ihn wie auf ein Schlachtopfer unsere Sünden." Um dieses anzudeuten, beugt sich der Priester zu Anfang der Messe an den Stufen des Altares gar tief und stellt sich im Geiste der Demut dem himmlischen Vater vor, gleichsam beladen mit den Sünden des ganzen Volkes, auf dass er das Herz Gottes zur Barmherzigkeit bewegen möge, ähnlich wie Christus wegen der schweren Last der Sünden, die ihm auferlegt waren, auf seinem Angesichte am Ölberg lag und unter blutigem Schweiß seinen Vater von Herzen anrief. Also bittet der Priester als Stellvertreter Christi für seine und aller Anwesenden Sünden, für welche der Kaufpreis, der einmal zu unserer Erlösung aufgeopfert worden, wieder erneuert und dargebracht wird, damit er kräftig zur Abbüßung der Sünden diene.

6. Dieses sind gar schöne und tröstliche Worte, durch welche, jeder arme Sünder einen großen Trost und sonderlichen Eifer, für die hl. Messe schöpfen kann. Denn er vernimmt daraus, dass Christus seine Sünden auf sich nimmt und dieselben mit seinem heiligen Blute abbüßt, wie er auch an des Sünders Stelle seinen Vater bittet und den reichen Wert der Erlösung für ihn aufopfert, um dem Sünder Verzeihung zu erlangen. Nun wollen wir vernehmen, was die hl. Väter von diesem Versöhnungsopfer sagen und wie sie es erklären.

7. In der Liturgie des hl. Jakobus heißt es: "Wir opfern dir, o Herr, dieses unblutige Sakrifizium auf für unsere Sünden und für des Volkes Unwissenheiten." Hier wisse, dass wir Menschen viele Sünden begehen, die wir nie erkennen und beichten, über die wir aber doch Rechenschaft geben müssen. Das lernen wir aus den Worten des Psalmisten (24, 7): "Der Sünden meiner Jugend und meiner Unachtsamkeiten gedenke nicht." Und wiederum (18,. 13f.): "Aber die Sünden, wer merket sie? Von meinen verborgenen Sünden reinige mich und wegen der fremden schone deines Knechtes. Damit uns also auch diese verborgenen Sünden vergeben werden, ist es gut, dass wir fleißig die hl. Messe hören von welcher der hl. Jakobus bezeugt, dass sie für die Unwissenheiten des Volkes aufgeopfert wird.

8. Dieses schreibt auch Marchantius: "Das hl. Messopfer dient vorzüglich für die unbewussten Sünden und für diejenigen, deren wir uns nach fleißiger Erforschung nicht erinnern. Die hl. Messe löscht die Sünden nicht aus, sondern erwirbt uns Reue, für die bewussten im Besondern und für die unbewussten und vergessenen im Allgemeinen." Der hl. Gregor schreibt: "Die Gerechten fürchten sich nicht wegen ihrer bewussten Sünden, weil sie dieselben gebeichtet und abgebüßt haben. Sie fürchten aber sehr wegen ihrer unbewussten Sünden." Deswegen sagt der hl. Paulus: "Ich bin mir zwar nichts bewusst, aber darum noch nicht gerechtfertigt, denn der mich richtet, ist der Herr" (1. Kor. 4,4), der schärfere Augen hat als ich. Da also wir armseligen Menschen wegen dieser unbewussten Sünden genug in Angst sein müssen, so ist es sehr nützlich dass wir alle hl. Messen zur Nachlassung unserer Unwissenheiten dem Vater aufopfern. Das will auch die Kirche andeuten, wenn sie den Priester in der Sekret des 5. Sonntags nach Epiphanie beten lässt: "Wir opfern dir, o Herr, ein Schlachtopfer der Versöhnung, damit du uns von unseren Sünden erbarmend lossprächest." Denn diese unbewussten Sünden können wir nicht beichten; wir wollen sie also Gott bekennen und bitten, dass er uns um der hl. Messe willen davon losspreche.

9. Vom Versöhnungsopfer schreibt der hl. Papst Alexander: "Durch Darbringung dieses Opfers wird der Herr versöhnt und verzeiht auch große Sünden." Ich müsste einen ganzen Bogen vollschreiben, wenn ich alle Aussprüche der hl. Väter beibringen wollte, die diesen wahrhaft tröstlichen Gedanken enthalten. Ich will mich aber begnügen mit dem, was die Kirche auf dem Konzil von Trient über diesen Punkt sagt: "Weil in diesem göttlichen Opfer, welches bei der hl. Messe vollbracht wird, ebenderselbe Christus enthalten ist und unblutigerweise geopfert wird, der am Altare des Kreuzes einmal sich selbst blutigerweise dargebracht hat, lehrt die hl. Kirchenversammlung, dieses Opfer sei wahrhaft ein Sühnopfer und es werde durch dasselbe bewirkt, dass, wenn wir mit aufrichtigem Herzen und rechtem Glauben, mit Furcht und Ehrerbietung, mit wahrer Reue zu Gott hintreten, wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden in segensreicher Hilfe. Denn durch die Darbringung dieses Opfers versöhnt, gewährt Gott das Gnadengeschenk der Reue und lässt Vergehen und Sünden nach, auch Große" (Sitzung 22, Kap. 2). Wie tröstlich und angenehm sind diese Worte! Wie viel Lob und Dank sind wir Christus schuldig, dass er uns ein so kräftiges Opfer der Versöhnung des göttlichen Zornes gegeben hat!

10. Du möchtest aber fragen: "Was bedürfen wir eines Sühnopfers, da wir ja doch nur durch wahre Reue und Buße den Zorn Gottes versöhnen können?" Ich antworte dir: Das ist wahr, dass wir durch wahre Reue Gottes Zorn versöhnen können; ich möchte aber gern wissen, woher ein boshafter Sünder solche Reu bekommen mag! Aus sich selbst - das ist so wenig möglich, wie dass ein Toter sich selbst auferwecken könnte. Durch Anhörung einer Predigt oder Lesung heiliger Bücher kann es wohl geschehen, dass einer wahre Reue erweckt, aber nicht ohne besondere Gnade Gottes. Diese Gnade ist der erzürnte Gott nicht verpflichtet zu geben; er wird sie auch nicht so leicht geben, es sei denn, er würde dazu in besonderer Weise bewegt. Nun gibt es aber nichts im Himmel und auf Erden, was ihn mehr dazu bewegen könnte, als das hl. Messopfer. Davon spricht ein frommer Pate also: "Die hl. Messe ist für die Anwesenden ein Versöhnungsopfer in der Weise, dass Gott ihnen Gnade verleiht, mit deren Hilfe sie das verrichten können, was für sie zur Verzeihung ihre Todsünden notwendig ist. Nämlich Gott gibt ihnen Gnade, um ihre Sünden zu erkennen, zu bereuen und zu beichten."

11. Wie leicht man durch die Aufopferung der hl. Messe Verzeihung erlangen kann, geht aus dem hervor, was Christ einst zur hl. Gertrud gesagt hat. Als in der Karwoche die Antiphon gesungen ward: "Er ist geopfert worden, weil Er es selbst wollte", da sprach Christus zu ihr: "Wenn du glaubst, dass ich am Kreuze dem Vater geopfert wurde, weil ich es so gewollt habe, so glaube auch unbezweifelt, dass ich noch täglich mit derseIben Liebe verlange, für einen jeden Sünder Gott dem Vater aufgeopfert zu werden, mit der ich mich am Kreuze für das Heil der Welt aufgeopfert habe. Deswegen kann ein jeder, von welch schwerer Last der Sünden er sich auch bedrückt weiß, Verzeihung seiner Sünden erhoffen, wenn er meinem Vater mein unschuldiges Leiden und meinen Tod aufopfert."

12. 0 wahrhaftig ein süßes und tröstliches Wort! Sollte man es denn glauben, dass die Liebe Christi so heiß wäre, dass er noch täglich dem Vater aufgeopfert zu werden verlangt für jeden Sünder wie einst am Kreuze für die ganze Welt, so muss er ja wirklich mit der größten Liebe verlangen, täglich in der hl. Messe von jedem aufgeopfert zu werden. So erfülle denn diesen heißen Wunsch Christi, du armseliger Sünder, und opfere täglich nicht nur einmal, sondern oftmals dem himmlischen Vater das unschuldige Leiden und den bitteren Tod seines lieben Sohnes, und vertraue auf das Versprechen Christi, dass du die heilsamste Frucht der Nachlassung erlangen wirst. Diese Aufopferung kann nicht allein in, sondern auch außer der Messe, nicht allein mit dem Munde, sondern auch mit dem Gemüte geschehen. Wenn die bloß geistige Aufopferung nun so wichtig und kräftig ist, o wie wichtig und kräftig wird dann die wirkliche oder leibhaftige Aufopferung sein, welche bei der hl. Messe geschieht. Denn bei der hl. Messe opferst du Christum nicht allein mit Worten oder geistiger Weise, sondern du opferst ihn durch die Hände des Priesters wirklich und leiblicher Weise. Du opferst ja mit dem Priester, wie dieser gleich nach der hl. Wandlung selbst ausspricht: "Nun, o Herr, opfern wir, deine Diener, und dein heiliges Volk deiner erhabenen Majestät ein reines Schlachtopfer usw."

13. Nun muss ich noch hinzusetzen, was Christus zu St. Mechtildis gesprochen, nämlich: "Ich komme mit solcher Sanftmut zur hl. Messe, dass kein noch so schwerer Sünder allda gegenwärtig ist, den ich nicht geduldig ertrage und dem ich nicht, falls er's nur begehrt, alle seine Sünden mit Freuden verzeihe." Diese wundersamen Worte zeigen uns, welch ein mächtiges Versöhnungsopfer die hl. Messe ist, da sie auch Christum selbst so sehr versöhnt, dass, wenn auch sein Feind zur Messe kommt, er ihn nicht allein nicht verstößt, sondern ihm gleichsam mit ausgebreiteten Armen entgegengeht und ihn als lieben Freund zu umfangen bereit ist, und wenn er nur einen einzigen Seufzer über seine Sünden ausstößt, so will er ihm alsbald mit Freuden verzeihen. Über diese Weisheit finde ich im Leben der Altväter ein schönes Beispiel: Der hl. Paulus der Einfältige hatte von Gott die Gnade empfangen, die Geheimnisse der Herzen zu erkennen. Wenn die Einsiedler des Sonntags zur Kirche kamen, stellet er sich vor die Kirchtüre, und wenn er einen mit Sünden behaftet fand, so offenbarte er sie ihm insgeheim und ermahnte ihn zur Besserung. Als er wieder einmal vor der Kirche stand, sah er einen Mann mit schwarzem Angesichte und dunklem Leib daherkommen, zu dessen beiden Seiten Teufel gingen, die ihn mit Ketten gebunden  hielten und hin- und herrissen. Der Schutzengel desselben aber kam von Ferne und ging traurig einher. Der fromme Paulus begann bitterlich zu weinen, mit der Hand an seine Brust zu schlagen und den elenden Zustand dieses armen Sünders zu beklagen. Die Einsiedler baten ihn, in die Kirche zur Hl. Messe zu kommen; er aber blieb unter der Türe sitzen und weinte und jammerte. Als nach der Hl. Messe die Mönche herauskamen, gab er acht auf jenen Sünder, und siehe, derselbe kam mit verändertem Angesichte daher, und sein Schutzengel ging mit großer Freude neben ihm, die Teufel aber schlichen von Ferne nach. Das sprang der Hl. Paulus vor Freude auf und sprach: „ O unaussprechliche göttliche Gütigkeit! O unergründliche göttliche Barmherzigkeit!“ Alsdann stellte er sich auf eine Stiege und rief: „Kommt ihr Brüder, und staunet über die Wunder Gottes, höret und vernehmet, was sich zugetragen hat. Und er sagte Ihnen, was er gesehen. Daraufhin sprach der Mann: „ Ich bin ein großer Sünder und habe lange Zeit in Unzucht gelebt. Als ich aber soeben in der Epistel die Worte des Propheten Isaias lesen hörte:“Waschet, reinigt euch, tut eure bösen Gedanken von meinen Augen; wenn eure Sünden wie Scharlach wären, sollen sie weiß werden wie Schnee,“ (Is.1,16.18)  da seufzte ich zu Gott und sprach: O Gott, der du in die Welt gekommen bist, die Sünder selig zu machen, erfülle diese deine Verheißungen an mir armen Sünder. In solchen Gedanken fuhr ich fort durch die ganze Hl. Messe und sprach: Herr, ich verspreche dir, solche Übel nicht mehr zu begehen; O Herr, nimm mich armen Sünder auf in dieser Stunde. Und mit diesem Versprechen verließ ich die Kirche.“  Fürwahr, hier müssen wir ausrufen: O hochheiliges Messopfer, wie groß ist deine Kraft und wie mächtig ist deine Wirkung in Bekehrung der Sünder! O wie viele verstockte Sünder sind durch dich bekehrt und vor dem ewigen Verderben gerettet worden!                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         

14. Wie groß ist also die Kraft und wie mächtig die Wirkung der hl. Messe zur Bekehrung der Sünder! 0 wie viele verstockte Sünder sind durch sie bekehrt und vor dem ewigen Verderben bewahrt worden! Sind wir denn nicht unserm göttlichen Heiland aufs höchste verpflichtet, dass er uns ein so heilsames und kostbares Sühnopfer gegeben hat? Wie unglücklich waren, mit uns verglichen, die alten Juden, welche so teure Sühnopfer hatten und dennoch mit solchen teuren Opfern nicht eine einzige Sünde auslöschen konnten, wie Paulus sagt: "Es ist unmöglich, da durch das Blut von Böcken und Stieren Sünden hinweg genommen werden" (Hebr. 10, 4). Wenn wir für eine jede Sünde ein Lamm oder ein Böcklein aufopfern müssten, wo wollten wir genug Opfertiere hernehmen? Gewiss würden wir unsere Sünden ungebüßt lassen und ohne Zweifel mit denselben in die Hölle gestürzt werden. Denn da wir jetzt, wo wir ein so sehr kräftiges Opfer ohne große Kosten haben, es dennoch so leichtsinnig versäumen und so nachlässig anhören, was würden wir denn getan haben, wenn wir vor Christi Geburt gelebt hätten? Bedenke denn bei dir o armer Sünder, wie schlecht du gegen dich selbst handelst, dass du so manche Messe versäumst und die Abbüßung deiner Sünden für jene Welt verschiebest. Bessere diesen Fehler durch neuen Eifer und opfere deinem Gott die hl. Messe recht oft als Sühnopfer auf.

 

1. Wie die hl. Messe die Verzeihung der Sünden erwirkt und verstockte Sünder bekehrt.

15. Dass die hl. Messe wirklich ein Sühnopfer ist, kannst entnehmen aus den Worten des hl.Thomas von Aquin, in denen er ausführt, dass uns durch dieselbe die Früchte des Leidens Christi zugewendet werden, deren wir täglich bedürfen wegen unserer täglichen Sünden: (Sa III, 83, 2). Die Früchte des Leidens Christi bestehen aber ganz besonders in der Nachlassung der Sünden. An einer anderen Stelle (III. 49, 4) sagt derselbe Heilige: „Die eigentliche Wirkung des Hl. Messopfers ist die, dass Gott versöhnt wird.“, gleichwie der Mensch eine ihm zugefügte Beleidigung nachlässt wegen eines angenehmen Dienstes, der ihm geleistet wird." Wo aber wird Gott ein größerer Dienst erwiesen als durch die hl. Messe? Soll also der erzürnte Gott dadurch nicht wieder versöhnt werden? Dieser Lehre des Doctor angelicus stimmen alle anderen Lehrer bei, und auch aus der hl. Schrift lässt sie sich beweisen. Denn als Esau mit seinem Bruder Jakob sehr zornig war, da dieser ihm den väterlichen Segen und das Recht der Erstgeburt genommen halte, befürchtete Jakob sehr, der erzürnte Esau würde sich an ihm rächen. Da sprach er: "Ich will ihn mit Geschenken versöhnen, vielleicht, dass er mich in Gnaden aufnimmt" (Gen. 32, 20). Er schickte ihm deswegen ganze Herden von seinem Besitz entgegen und versöhnte dadurch den erzürnten Bruder. Wenn du also bei der hl. Messe dem erzürnten himmlischen Vater die Tugenden und Verdienste, das Leiden und Sterben, die Wunden und Schmerzen seines Sohnes aufopferst, so wirst du ihn viel schneller versöhnen als Jakob den Esau, da diese genannten Gaben von unendlichem Werte sind und Gott über alle Maßen gefallen. Deine begangenen Sünden schreien zwar um Rache, das in der Messe vergossene Blut Christi aber schreit um Barmherzigkeit; weil aber dieses Rufen allmächtig ist, so dringt es weiter als das Geschrei deiner Sünden. Daher spricht auch Albertus Magnus: "Allen Zorn und Unwillen Gottes löschen wir durch diese kostbare Gabe aus."

16. Dass die Kraft der hl. Messe die reuigen Sünder mit Gott versöhnt, daran zweifelt niemand, aber nun ist die Frage, ob sie auch Sünder ohne Reue versöhne. Nämlich wenn einer im Stande der Ungnade oder in der Todsünde die hl. Messe hört oder für sich lesen lässt, oder wenn du für einen solchen dasselbe tust, ob dieser durch die Kraft der hl. Messe zum Stande der Gnade kommt und mit Gott versöhnt wird. Auf diese Frage antworte ich mit Nein, denn das eigentliche Mittel zur Sündenvergebung ist die Beichte, und kein Sünder kann aus der Ungnade zur Gnade Gottes kommen als nur durch wahre Reue und Buße.

17. Hier magst du nun wiederum fragen: "Was nützt es denn also dem Sünder, wenn er ohne Reue die hl. Messe hört?" Antwort: "Sie nützt ihm sehr viel, sowohl an zeitlichen wie geistlichen Dingen. An zeitlichen Dingen nützt sie ihm, weil Gott ihn dafür vor Unglück bewahrt oder ihm irgendwelches Glück beschert. Die Ursache davon ist, weil nach unserer katholischen Lehre Gott wegen seiner unendlichen Gütigkeit nicht das geringste Gute unbelohnt lässt: wie viel mehr wird er dann eine hl. Messe belohnen! Er würde gern einen ewigen Lohn dafür geben, wie die hl. Messe verdient; aber weil ein solcher Sünder der ewig Belohnung nicht fähig ist, so wird sie ihm von Gott aus lauter Güte zeitlicherweise belohnt, nämlich durch Bescherung eines Glücks oder Bewahrung vor einem Unglück. Auf diese Weise nützt ihm also die hl. Messe viel an zeitlichen Dingen.

18. An geistlichen Dingen nützt sie ihm viel mehr. Denn nach der Lehre der Theologen oder Gottesgelehrten bewirkt die hl. Messe unmittelbar die zuvorkommende Gnade, durch deren Kraft der Sünder zur Erkenntnis und Verabscheuung seiner Todsünden kommt. Wenn er dieser Gnade folgt, so verschafft ihm d hl. Messe auch noch weiter die Gnade einer wahren Reue und Buße, einer guten Beichte, aufdass er von seinen Sünden befreit werde. Aber freilich: die hl. Messe und die durch erlangte Gnade zwingt den Menschen nicht, sondern lässt ihm seinen freien Willen. Wenn also der Sünder willens ist, in der Sünde zu verharren und fortzufahren, so bietet ihm zwar Gott wegen der gehörten Messe seine Gnade und Hilfe an, was er ohne die Messe nicht so getan hätte; der Sünder jedoch will die Gnade nicht sondern stößt und wirft sie von sich. Das hebt aber den Wert d hl. Messe als Versöhnungsopfer nicht auf. Denn also lehrt die Hl. Kirche: „Wer da sagt, das Messopfer sei kein Versöhnungsopfer, der sei im Bann.“ (Sitzung 22, Kap.3)Sie wird Versöhnungsopfer genannt, weil sie aus den Verdiensten Christi dem Sünder Hilfe leistet, seine Sünden zu erkennen und zu bereuen. Diese Hilfe ist sicher und wird denjenigen zuteil, welche die Hl. Messe hören. Denn wäre dem nicht so, so hätte die hl. Messe keine größere Kraft als irgendein anderes gutes Werk, welches von einem frommen Menschen für einen Sünder aufgeopfert wird.

19. Es folgt  jedoch nicht hieraus, dass die Wirkung des Messopfers sofort offenbar wird, oder dass sich der Sünder sofort bekehre, sondern das kann auch zu gelegener Zeit geschehen. Denn wir wissen ja, dass, obwohl Christus am Kreuze für die Sünder gebetet und sein bitteres Leiden und Sterben für sie aufgeopfert hat, dennoch von so vielen Tausend gar wenige bekehrt worden sind, die reumütig an die Brust schlugen und voll Glauben sprachen. "Wahrhaftig, dieser war der Sohn Gottes." Die anderen blieben verstockt und haben die angebotene Hilfe und Gnade Gotte ausgeschlagen. Am hl. Pfingsttag aber, als ihre harten Herzen durch die Predigt des hl. Petrus erweicht und zur Annahme der Gnade Gottes befähigt waren, da erst brachte das Gebet und das Kreuzesopfer Christi seine Wirkung hervor, indem sich dreitausend Menschen auf einmal bekehrten.

20. Ebenso bekehrt auch die hl. Messe die Sünder nicht immer sofort, sondern auch später, zu gelegener Zeit, wenn nämlich die Verstocktheit vorüber und das Herz des Sünders zur Aufnahme der Gnade fähiger geworden ist. Davon spricht Marchantius in folgenden Worten: "Die hl. Messe löscht die Sünden nicht aus, sondern erwirbt uns Reue oder Beweggründe zu wahrer Reue. Diese Reue wird manchmal zur Zeit der Messe eingegossen, die für einen gelesen wird, bisweilen auch zu gelegener Zeit, immer aber um des hl. Messopfers willen. Also geschieht es, dass viele nach langer Zeit durch besondere Hilfe Gottes bekehrt werden, ohne zu wissen, dass sie dies der Kraft der hl. Messe zu verdanken haben. Manchmal werden die Sünde gar nicht bekehrt, weil sie die Hilfe, welche Gott ihnen anbietet, nicht annehmen oder nicht mitwirken."

21. Wenn also ein zur Reue gestimmter Sünder seinem Gott die eine oder andere hl. Messe aufopfert, um ihn gnädig zu stimmen, so wird Gott ihm gewiss die Gnade der Bekehrung und Besserung mitteilen. Dies bezeugt die hl. katholische Kirche auf dem Konzil von Trient (Sitzg. 22, Kap. 2): "Wenn wir voll Reue zu Gott herantreten, so werden wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden. Denn durch die Darbringung, dieses Opfer versöhnt, gewährt der Herr Gnade und die Gabe der Reue und lässt die Vergehen und auch große Sünden nach." 0, was für einen Trost bringen diese Worte den Sündern! Welche Hoffnung erwecken sie bei den Kleinmütigen und halb Verzagten! Durch die Erwägung derselben können sie sich ja für versichert halten, dass sie den heftig erzürnten Gott durch Aufopferung der hl. Messe versöhnen können, so dass er seinen Zorn ablegt, die begangenen Missetaten verzeiht und seine Gnade und Freundschaft anbietet. Hier möge erfüllt werden, was Sirach gesagt hat: "Sich vom Bösen entfernen, ist Gott wohlgefällig, und die Ungerechtigkeit meiden, ist ein Gebet für die Sünde, doch erscheine nicht leer vor dem Angesicht des Herrn" (Ekkli. 35, 5f.), opfere ihm vielmehr seinen eingeborenen Sohn als Sühnopfer auf, wie es an anderer Stelle heißt: "Eine verborgene Gabe löscht den Zorn aus und ein Geschenk im Schoss eine sehr große Ungnade." (Spr. 21, 14.) Was ist dies für eine verborgene Gabe als eben der Leib Christi unter der Gestalt des Brotes, und was ist dies für ein Geschenk im Schoss als eben das Christkindlein ruhend in der Mutter Schoss? Diese verborgene Gabe, dieses kostbare Geschenk sollen wir in der hl. Messe aufopfern, so werden wir den Grimm des erzürnten Gottes und seinen heftigen, wider uns geschöpften Unwillen auslöschen und versöhnen.

22. Das tut der Priester im Namen aller Anwesenden, sagt der hl. Bonaventura, wenn er bei Aufhebung der hl. Hostie in seinen Gedanken etwa spricht: "0, himmlischer Vater, wir armen Sünder haben gesündigt und dich heftig erzürnt. Nun aber schaue in das Angesicht deines Gesalbten, welchen wir dir andächtig vorstellen und lass deinen Zorn in Barmherzigkeit verwandelt werden. Wende dein Angesicht nicht ab von ihm, von welchem du selbst gesagt hast: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe. Und seinetwillen bekehre uns zu dir und wende deinen Zorn von uns ab." Durch solche Bitte und Aufopferung haben viele Sünder die Gnade der Bekehrung erlangt, die sie so vielleicht nie erhalten hätten. Denn dieses Sühnopfer hat die Kraft dass es harte Herzen erweichen und verstockte Sünder bekehren kann, was uns die Kirche andeuten will, indem sie in einer Sekret also spricht: "0, Herr, nimm doch dieses Opfer gnädig auf, lass dich dadurch versöhnen und ziehe doch unsern rebellisch widerspenstigen Willen gnädig zu dir." So würde die Kirche nicht beten, wenn sie nicht wüsste, dass auch verstockte Sünder durch Aufopferung dieses allmächtigen Versöhnungsopfers bekehrt werden können und auch schon oft bekehrt worden sind. Darum soll jeder Sünder, mag er auch so tief im Schmutz der Sünden stecken, dass es ihm vorkommt, als sei es ihm gar nicht mehr möglich sich zu bekehren, recht oft die hl. Messe hören und mit obigen Worten der Sekret: "0 Herr, nimm doch mein Opfer an, ach, lass dich doch dadurch versöhnen und zwinge meinen widerspenstigen Willen gnädig zu dir"— den barmherzigen Gott bitten, dass ihn durch die große Kraft der hl. Messe bekehren wolle.

23. Hier möchte aber einer einwenden: Was wird denn ein solch Gebet nützen, da doch die hl. Schrift sagt: "Wer sein Ohr abwendet, dass er das Gesetz nicht hört, dessen Gebet ist ein Gräuel vor Gott." (Spr. 28, 9). Diese Frage beantwortet der engelgleiche Lehrer, der hl. Thomas von Aquin: "Sobald das Gebet des Sünders aus einem natürlich guten Verlangen hervorgeht, hört Gott auf dasselbe, nicht freilich wie aus Gerechtigkeit, weil der Sünder dies nicht verdient, sondern aus purer Barmherzigkeit." (Sa. theol. 2 II. 83, 16.) Gesetzt aber, Gott wolle in seinem Zorn auf das Gebet des Sünders gar nicht achten, so ist es doch gewiss, dass er die hl. Messe, die dieser ihm aufopfert nicht ausschlägt, sondern zu größtem Gefallen aufnimmt. Ich sage nicht, dass das Gebet, das der Sünder bei der Messe spricht, Gott gefällt, sondern sage, dass die hl. Messe, auch die von einem verstockten Sünder aufgeopferte, ihm über die Maßen angenehm ist. Wenn dir dein Feind durch seinen Diener tausend Taler schickte würdest du sie wohl annehmen? Ich meine, wenn du in Not wärest, sogar gern, und du würdest bei dir sprechen: "Wiewohl dieser mein Feind mir zuwider ist, so sind mir doch die geschenkten tausend Taler lieb und nützlich." So wird auch der gerechte Gott von einem Sünder die allerkostbarste Gabe des Leibes und Blutes seines Sohnes gutwillig annehmen und bei sich sprechen: Wiewohl dieser mein Feind ist und mir ganz zuwider, so ist mir doch die Gabe, welche er mir verehrt, über die Maßen lieb und angenehm. Und weil er mir dieselbe opfert und mir dadurch eine besondere Ehre erweist, so will ich ihm dafür meine Gnade anbieten, und wenn er sie annimmt, so will ich aller zugefügten Schmach vergessen und ihn wieder in meine Freundschaft aufnehmen.

24. Dieser Gedanke stammt nicht von mir, er ist vielmehr aus den Worten des Konzils von Trient geschöpft, welches lehrt, "dass Gott durch die Aufopferung der hl. Messe versöhnt werde und auch große Fehler und Sünden verzeihe." 0, wohl ein treues und für alle Sünder sehr tröstliches Wort! Schöpfe neue Hoffnung, verzagter Sünder, fasse neues Vertrauen auf Bekehrung und Rettung, und aus den Fesseln der Verzweiflung fliehe zu dem aIlermächtigsten Versöhnungsopfer! Denn obwohl die hl. Schrift sagt, dass der Gottlose Gott verhasst sei (Weish. 14,9), so gehe recht eifrig zur hl. Messe und opfere dieselbe mit allem Ernst auf. Und wenn du auch mit der Todsünde im Herzen die hl. Messe hörst, so tust du dadurch ja keine neue Todsünde, wie etwa der Priester, der im Stande der Sünde die hl. Messe lese, oder der Laie, der unwürdig kommuniziert, sondern du erlangst Hilfe, aus dem Stand der Ungnade herauszukommen.

25. Das geschieht auch, wenn ein frommer Mensch für einen Sünder die hl. Messe hört und sie Gott für die Bekehrung desselben aufopfert. Davon haben wir eine vortreffliche Erzählung in den Offenbarungen der hl. Gertrud. Als diese Braut Christi einmal während der hl. Messe den Heiland bat, er wolle diejenigen Sünder, die sich noch bekehren und selig werden sollten, mit seiner Gnade zuvorkommen und sie wegen der hohen Würde der hl. Messe vor der bestimmten Zeit bekehren, da hätte sie auch gern um die Bekehrung derjenigen Sünder gebeten, welche verdammt werden würden, weil sie mit diesen armseligsten Sündern gar großes Mitleid trug. Sie wagte es aber gar nicht, für sie zu bitten, weil sie fürchtete, nicht erhört zu werden. Der Herr aber wollte diesen Kleinmut bessern und sprach zu ihr: "Soll denn die Würde der Gegenwart meines unbefleckten Leibes und kostbaren Blutes nicht so viel verdienen, dass auch diejenigen, welche im Stande der Verdammnis sind, zum Stande eines besseren Lebens berufen werden?" Über diese mildreichen Worte wunderte sich die hl. Gertrud sehr, erwog sie inbrünstig in ihrem Herzen und sprach dann mit großem Vertrauen zu Gott: "Ich bitte dich, o allergütigster Heiland, durch die hochwürdige Gegenwart deines unbefleckten Leibes und kostbarsten Blutes, du wollest doch einige Sünder, die im Stande der Verdammnis stehen, zu deiner göttlichen Gnade führen. Zur Gewährung dieser meiner Bitte opfere ich dir, und durch dich der hl. Dreifaltigkeit auf dieses hl. Messopfer samt allem, was du zum Heil der armen Sünder auf diesem Altare wirkest." Diese inbrünstige Bitte nahm der Herr mit großer Milde an und versicherte St. Gertrud, er habe ihre Bitte erhört und etliche Sünder der Verdammnis entzogen und in den Stand des Heiles versetzt.

26. Schöpfe denn, o armer Sünder, hieraus neue Hoffnung auf deine Rettung, höre manche Messe mit möglichster Andacht und opfere sie auf zu deiner Bekehrung und zur Belehrung so vieler anderer verstockten Sünder!

 

2. Wie die hl. Messe die lässlichen Sünden austilgt.

27. Das Versöhnungsopfer betrifft auch die lässlichen Sünden, welche den lieben Gott ebenfalls erzürnen, u. zw. mehr, als wir armselige Sünder uns einbilden. Ich will dies durch ein Gleichnis beweisen, durch welches du die Bosheit der lässlichen Sünde einigermaßen erkennen wirst. Ein Vater hatte einen Sohn, der ihn täglich öfters vorsätzlicherweise erzürnte. In der Arbeit war er nachlässig, er war der Trägheit und dem Spiel ergeben, das Geld des Vaters wendete er übel an. Die Ermahnungen des Vaters beachtete er nicht, und seine Drohungen verspottete er. Der Vater beklagte sich oft über diesen seinen unnützen Sohn; dieser aber entschuldigte sich und sprach: "Was beklagst du dich über mich? Ich schlage dich ja doch nicht und bringe dir keine tödliche Wunde bei!“

28. Dieses Gleichnis beziehe auf dich und deinen himmlischen Vater und lerne daraus, wie oft und schwer du dich alle Tage wider ihn versündigst. Du fügst ihm zwar keine tödliche Wunde bei, d. i. du begehst zwar keine Todsünde, gleichwohl machst du ihm durch deine lässlichen Sünden so viel Verdruss, dass er gerechte Ursache hat, über dich zu zürnen und zu klagen. Diesen Unwillen verursachst du täglich und vermehrst dadurch seinen Zorn und deine Strafe. Wenn du nun kein Versöhnungsopfer hättest, um den Zorn deines himmlischen Vaters zu besänftigen, wo würde dein Elend endlich hinauskommen? Wenn auch deine täglichen Sünden keine Todsünden, sondern lässliche sind, so hast du doch ein Sühnopfer überaus nötig, damit der Zorn Gottes nicht endlich überhandnehme und er dich als einen unnützen Sohn aus seinem Hause vertreibe.

29. Um diesem Übel zuvorzukommen hat der gütigste Jesus dir und mir und allen Menschen zum Heil ein kräftiges Versöhnungsmittel verordnet und das göttliche Opfer der hl. Messe eingesetzt, welches nicht allein gegen die Todsünden, sondern auch gegen die lässlichen Sünden von besonderer Kraft ist. Dies bezeugt die hl. katholische Kirche mit den ausdrücklichen Worten, dass Christus beim letzten Abendmahle die hl. Messe eingesetzt habe, "damit die heilsame Kraft des Kreuzesopfers uns zugeeignet würde zur Verzeihung derjenigen Sünden, welche von uns täglich begangen werden." (Trid. Sitzg. 22, Kap. I. ) Das sind die Worte der Kirche, welche keiner Erklärung weiter bedürfen, da sie uns klar anzeigen, dass die hl. Messe besonders zur Verzeihung der täglichen oder lässlichen Sünden von Christi verordnet ist.

30. Der hl. Paschasius sagt dasselbe mit den Worten: "Dies Opfer wird täglich wiederholt, weil wir täglich sündigen und solche Sünden begehen, ohne welche die menschliche Schwachheit nicht leben kann. Weil also der Christ täglich fällt, so wird Christus täglich geistiger Weise geschlachtet." Christus hat uns zwar noch andere Mittel gegeben, die täglichen Sünden abzubüßen, nämlich: die Reue, an die Brust klopfen, das Vaterunser beten, sich mit Weihwasser besprengen und dergleichen mehr; keines aber so kräftig wie das Hören und Aufopfern der hl. Messe.

31. Hiervon sagt der gelehrte Suarez: "Es ist anzunehmen, dass diejenigen, welche die hl. Messe zur Verzeihung ihrer lässlichen Sünden aufopfern, dieselbe ganz gewiss wenigstens bittweise erlangen, weil sie alsdann einen Willen haben, welcher den lässlichen Sünden widerstrebt." Als wollte er sagen: Weil keine Sünde, auch nicht eine lässliche, verziehen wird, es sei denn, dass sie den Menschen reue und leid tue, so soll er recht die Kraft der hl. Messe zur Nachlassung der lässlichen Sünden begehren, denn das ist ein Zeichen, dass sie ihm leid tun und dass er gern von ihnen frei wäre. Ein anderer Schriftsteller sagt dafür, wir bekämen gewiss Verzeihung derjenigen Sünden, an denen wir keine Lust haben. Pater Jakob Stratius schreibt: "Die Frucht der hl. Messe ist gewaltig groß, weil sie uns die unergründlichen Reichtümer der Verdienste und Genugtuungen Christi zueignet. Die lässlichen Sünden schmelzen vor der Messe wie das Wachs vor dem Feuer, und viele durch die Sünden verschuldete Strafen werden durch die Kraft der hl. Messe ferngehalten." Darin hat der gelehrte Pater vollständig recht, denn die lässlichen Sünden werden durch das Feuer der göttlichen Liebe, welches während der hl. Messe auf dem Altare brennt, vollständig verzehrt. Darum sprich zu  Anfang derselben beim Konfiteor: "0 gerechter Gott, alle Sünden meines Lebens lege ich mit reuigem Herzen und festem Vertrauen auf diesen hl. Altar, auf dass sie durch das Feuer deiner göttlichen Liebe ganz verzehrt und durch das kostbare Blut meines Jesu ganz ausgelöscht und durch dessen unendlichen Verdiensten völlig bezahlt werden mögen. Amen."

32. Für diese große Wohltat können wir unserem Heiland niemals genug danken. Denn wenn wir dieses göttliche Opfer nicht hätten oder dasselbe nicht zur Austilgung unserer lässlichen Sünden anwendeten, was für eine Last solcher Sünden würden wir vor Gottes Gericht bringen, wie lange und schwere Peinen müssten wir in jener Welt dafür leiden! Denn dies sind jene Sünden, von welchen David sagt: "Meine Sünden sind zahlreicher als die Haare meines Hauptes" (Ps. 39, 13), und die Kirche: "Ich habe gesündigt über die Zahl der Sandkörner des Meeres." Von diesen Sünden heißt es: "Die Sünden, wer merket sie?" (Ps. 18, 13.) Wir merken viele nicht, darum beichten und bessern wir sie nicht. Wir löschen sie aber aus und büßen sie ab durch dieses allerkräftigste Versöhnungsopfer, das unser größter Wohltäter uns freigebig geschenkt hat.

33. Willst du nun wissen, wie du es machen sollst, um bei der hl. Messe Verzeihung deiner lässlichen Sünden zu erlangen, so folge dem Beispiel der hl. Gertrud, von welcher in ihren Offenbarungen geschrieben steht: "Als einmal in der hl. Messe (welche die wahrhaftigste und allerkräftigste Versöhnung aller menschlichen Schuld ist) das hochheiligste Schlachtopfer von dem Priester geopfert ward, da opferte St. Gertrud dasselbe dem Herrn zur Sühne und Reinigung aller ihrer Sünden. Gott nahm dies mit Wohlgefallen an und nahm sie auf in seinen mildesten Schoss." Aus diesen Worten magst du abnehmen, was für eine gewaltige Kraft in der Aufopferung der hl. Messe verborgen ist. Denn als St. Gertrud, die ihr Lebtag niemals eine schwere Sünde begangen hat, bei der Wandlung mit ganzem Ernst sprach: "Ich opfere dir diese hochheiligste Hostie zur Sühne und zur Reinigung aller meiner Sünden", da bekommt sie von Gott die Versicherung, dass ihre Seele nicht allein von ihren Makeln gereinigt, sondern in den Schoss des himmlischen Vaters aufzunehmen gewürdigt ward.  Darum sprich auch du bei der hl. Wandlung: "Himmlischer Vater! Mit innigster Andacht opfere ich dir durch die Hände des Priesters diese hochwürdigen Opfergaben des Leibes und Blutes deines Sohnes auf mit der Bitte, mir alle meine begangenen Tod- und lässlichen Sünden zu vergeben. 0 Gütigster Vater, weil dieses hochheilige Opfer genügt zur vollen Versöhnung der ganzen menschlichen Schuld, so wollest du dich dadurch versöhnen lassen, mir meine unzählbaren Sünden verzeihen und die verschuldeten Strafen nachlassen." Je öfter und fleißiger du dieses tust, desto mehr lässliche Sünden löschest du aus. Ja, ich vermeine, dass um einer einzigen andächtigen Messe willen mehr lässliche Sünden vergeben werden, als einer den ganzen Tag begangen hat. Denn wenn du die übernatürliche Kraft des hl. Messopfers wohl erwägst, so wirst du auch erkennen, dass dasselbe kräftig genug ist, um alle deine Sünden und Übertretungen zu tilgen.

34. Hier sollst du auch wissen, dass die hl. Messe nicht nur die lässlichen Sünden auslöscht, sondern die Seele auch von allen Makeln und Flecken reinigt. Das bezeugt der hl. Johannes Damascenus mit den Worten: "Das unbefleckte und unblutige Messopfer ist eine Verbesserung aller Schäden und eine Reinigung von allen Unreinigkeiten." Das hat Gott schon früher durch den Propheten Ezechiel weissagen lassen mit den Worten: Ich will ein reines Wasser über euch ausgießen, dass ihr gereinigt werdet von allen euren Missetaten." (Ezech. 36, 25.) Diese Reinigung geschieht durch das heiligste Wasser, das aus der geöffneten Seite Christi geflossen ist, wovon Johannes sagt: "Einer von den Soldaten öffnete seine Seite mit einer Lanze, und sofort floss Blut und Wasser heraus. (Joh. 19, 34.) Dies ist nicht zufällig, sondern aus besonderer Fügung Gottes geschehen. Denn Jesus wollte diese Wunde an seiner Seite empfangen und nach seinem Tode offenhalten, damit sie würde "ein Quell lebendigen Wassers, das fortströmt ins ewige Leben."(Joh. 4, 14.)     

35. Diese Quelle hat vorhergesagt der Prophet Zacharias: „An demselben Tage wird sich eine Quelle öffnen für das Haus Davids und die Bewohner Jerusalems zur Reinigung der Sünder." (Zach. 13, 1.) Dieser heilsame Brunnen fließt unaufhörlich; jeder kann frei hinzutreten, um seinen Durst zu löschen und seine Flecken abzuwaschen. Er fließt aber nur über die, welche auch wirklich zu ihm kommen. In allen Messen fließt er über alle Gegenwärtigen, weil die Seitenwunde Christi alsdann von neuem geöffnet wird. 0, wie sind wir so glücklich und überglücklich, dass dieser göttliche Brunnen allzeit zu unserer Reinigung fließet und jedem Hinzutretenden seine Wasser umsonst und im Überfluss mitteilt! Wie viele Sünder sind hingegangen und haben mit Freuden daraus geschöpft nach den Worten des Isaias: "Ihr  werdet Wasser schöpfen mit Freuden aus den Quellen des Heilandes.“ (Is. 12, 3.) Jene Sünder aber, die aus Nachlässigkeit nicht hingehen, sondern lieber in ihrem Wust verschmachten    wollen, lädt er noch freundlich ein mit den Worten: "Alle, die ihr dürstet, kommet zum Wasser, und die ihr kein Geld habt, kommet und kaufet ohne Geld und ganz umsonst Wein und Milch!" (Is. 55,1.) Und am Schlusse der ganzen hl. Schrift heißt es noch einmal: "Der Geist und die Braut sprechen: Komm! und wer es hört, der spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme, und wer will, der nehme Wasser des Lebens umsonst." (Offbg. 22, 17.) Beachtedoch, wie treulich uns Isaias und St. Johannes zu diesem Brunnen einladen, da sie beide wohl wissen, wie heilsam uns das Wasser des göttlichen Heilandes ist. Es ist ein Bad, in welchem unsere Seele gebadet, gereinigt und geheiligt wird, ohne dass uns dieses kostbare Perlenwasser auch nur das Geringste kostet.



    
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