Die Erklärung des Heiligen
Messopfers
von Pater Martin von Cochem
15. Kapitel
Die hl. Messe ist das heiligste Versöhnungsopfer.
1. Dass die armselige, menschliche Natur, die so oft in Sünd
fällt, ein Versöhnungsopfer nötig hat, sagt uns schon die bloße
Vernunft, und die Altväter haben dieses schon vor dem Gesetz des
Moses erkannt. Denn von dem frommen Job, welcher noch unter dem
Naturgesetz lebte, lesen wir, dass er alle acht Tage seine zehn
Kinder zu sich gerufen, sie geheiligt und ein Brandopfer für sie
dargebracht habe. Er sprach nämlich bei sich: „Es möchten
vielleicht meine Söhne (durch ihr Gelage) gesündigt und Gott
gelästert haben in ihren Herzen.“ (Job 1,5) Hieraus geht hervor,
dass die Patriarchen aus Eingebung der Vernunft dem allmächtigen
Vater Versöhnungsopfer dargebracht und ihn um Verzeihung gebeten
haben. In dem Gesetze des Moses hatte Gott selbst ein
Versöhnungsopfer eingesetzt, denn es heißt, wenn eine Seele
sündigt, so soll der Priester ein Lamm oder ein Böcklein opfern,
und der Priester für den Sünder beten, und so wird ihm verziehen
werden (3. Mos.5,4.6.7.10)
2. Wenn nun das alte Gesetz, welches doch nur ein Schatten des
Neuen Bundes war, zum größten Trost und Heil der Juden ein
Sühnopfer hatte, so geziemte es sich, dass auch die Kirche oder
das christliche Volk ein solches habe, und zwar ein umso
vortrefflicheres, je mehr der Neue Bund über den Alten erhaben
ist. Das eigentliche Sühnopfer des Neuen Bundes ist das
Kreuzesopfer, in dessen Kraft alle Sünden getilgt werden können.
Weil aber die Sünden täglich geschehen, so geziemte es sich,
dass noch ein Opfer da wäre, das zur Sühne für unsere täglichen
Sünden täglich geopfert würde. Davon sagt die Kirche auf dem
Konzil von Trient: Christus habe den Aposteln und ihren
Nachfolgern im Priestertum das, was er beim letzten Abendmahl
getan zu seinem Andenken zu tun befohlen und dadurch die hl.
Messe eingesetzt,
"damit er seiner Kirche ein sichtbares Opfer hinterließe, durch
welches sein blutiges Kreuzesopfer wieder vorgestellt und dessen
heilsame Kraft uns zugeeignet wurde zur Vergebung der Sünden,
die wir täglich begehen" (Sitzg. 22, Kap. 1). Das sind die Worte
der heiligen katholischen Kirche, wodurch sie uns erklärt, dass
Christus beim letzten Abendmahle wahrhaftig die Heilige Messe
eingesetzt und seinen Jüngern und Priestern Messe zu lesen
befohlen habe. Auch die Ursache gibt uns die Kirche an, da sie
hinzufügt: „Auf dass Er Seiner Kirche ein sichtbares göttliches
Opfer hinterließe, und Kraft diese heilsamen Opfers uns
zugeeignet würde, zur Vergebung der Sünden, die wir täglich
begehen.“ Diese Worte sind ein Glaubensartikel, dem niemand
widersprechen darf; sie zeigen uns ganz klar, dass die hl. Messe
ein Versöhnungsopfer ist, weil sie ja von Christus zu dem Zwecke
eingesetzt wurde, "dass seine Kirche ein Opfer habe, zur
Nachlassung der täglichen Sünden." 0, glückselig die katholische
Kirche, die ein solches Sühnopfer hat!
3. Dass nun die hl. Messe ein wahres Versöhnungsopfer ist und
zur Vergebung der Sünden gelesen wird, zeigt klar der Priester,
da er zu Anfang derselben tief gebeugt das Konfiteor oder das
allgemeine Sündenbekenntnis laut betet und dabei dreimal an
Seine Brust schlägt. Nachdem auch der Messdiener im Namen aller
Anwesenden dies getan, spricht der Priester über das Volk: "Es
erbarme sich euer der allmächtige Gott, er lasse euch eure
Sünden nach und führe euch zum ewigen Leben." Danach bezeichnet
er sich mit dem hl. Kreuz und spricht: "Die Nachlassung,
Lossprechung und Verzeihung unserer Sünden verleihe uns der
allmächtige und barmherzige Gott. Amen." Bald darauf ruft er im
Kyrie laut die Barmherzigkeit Gottes an, indem er je dreimal
sagt: "Herr, erbarme dich unser!" "Christe, erbarme dich unser!"
"Herr erbarme dich unser!" Ist dies nicht ein demütiges und
andächtiges Rufen, das zum Himmel empor und in das Herz Gottes
eindringen muss?
4. Der Priester spricht auch viele Kollekten und andere Gebete,
in welchen er immer wieder um Verzeihung der Sünden bittet.
Endlich spricht er auch dreimal laut das Agnus Dei. "0 du Lamm
Gottes, das du hinwegnimmst die Sünden der Welt, erbarme dich
unser!" Das alles ist ja doch ein klarer Beweis, dass die hl.
Messe ein Versöhnungsopfer ist und zur Verzeihung der Sünden
gelesen wird.
5. Hiervon schreibt Marchantius: "Gleichwie Christus in seinem
Leiden die Sünden der ganzen Welt auf sich genommen hat, um
dieselben mit seinem Blute abzubüßen, ebenso legen auch wir auf
ihn wie auf ein Schlachtopfer unsere Sünden." Um dieses
anzudeuten, beugt sich der Priester zu Anfang der Messe an den
Stufen des Altares gar tief und stellt sich im Geiste der Demut
dem himmlischen Vater vor, gleichsam beladen mit den Sünden des
ganzen Volkes, auf dass er das Herz Gottes zur Barmherzigkeit
bewegen möge, ähnlich wie Christus wegen der schweren Last der
Sünden, die ihm auferlegt waren, auf seinem Angesichte am Ölberg
lag und unter blutigem Schweiß seinen Vater von Herzen anrief.
Also bittet der Priester als Stellvertreter Christi für seine
und aller Anwesenden Sünden, für welche der Kaufpreis, der
einmal zu unserer Erlösung aufgeopfert worden, wieder erneuert
und dargebracht wird, damit er kräftig zur Abbüßung der Sünden
diene.
6. Dieses sind gar schöne und tröstliche Worte, durch welche,
jeder arme Sünder einen großen Trost und sonderlichen Eifer, für
die hl. Messe schöpfen kann. Denn er vernimmt daraus, dass
Christus seine Sünden auf sich nimmt und dieselben mit seinem
heiligen Blute abbüßt, wie er auch an des Sünders Stelle seinen
Vater bittet und den reichen Wert der Erlösung für ihn
aufopfert, um dem Sünder Verzeihung zu erlangen. Nun wollen wir
vernehmen, was die hl. Väter von diesem Versöhnungsopfer sagen
und wie sie es erklären.
7. In der Liturgie des hl. Jakobus heißt es: "Wir opfern dir, o
Herr, dieses unblutige Sakrifizium auf für unsere Sünden und für
des Volkes Unwissenheiten." Hier wisse, dass wir Menschen viele
Sünden begehen, die wir nie erkennen und beichten, über die wir
aber doch Rechenschaft geben müssen. Das lernen wir aus den
Worten des Psalmisten (24, 7): "Der Sünden meiner Jugend und
meiner Unachtsamkeiten gedenke nicht." Und wiederum (18,. 13f.):
"Aber die Sünden, wer merket sie? Von meinen verborgenen Sünden
reinige mich und wegen der fremden schone deines Knechtes. Damit
uns also auch diese verborgenen Sünden vergeben werden, ist es
gut, dass wir fleißig die hl. Messe hören von welcher der hl.
Jakobus bezeugt, dass sie für die Unwissenheiten des Volkes
aufgeopfert wird.
8. Dieses schreibt auch Marchantius: "Das hl. Messopfer dient
vorzüglich für die unbewussten Sünden und für diejenigen, deren
wir uns nach fleißiger Erforschung nicht erinnern. Die hl. Messe
löscht die Sünden nicht aus, sondern erwirbt uns Reue, für die
bewussten im Besondern und für die unbewussten und vergessenen
im Allgemeinen." Der hl. Gregor schreibt: "Die Gerechten
fürchten sich nicht wegen ihrer bewussten Sünden, weil sie
dieselben gebeichtet und abgebüßt haben. Sie fürchten aber sehr
wegen ihrer unbewussten Sünden." Deswegen sagt der hl. Paulus:
"Ich bin mir zwar nichts bewusst, aber darum noch nicht
gerechtfertigt, denn der mich richtet, ist der Herr" (1. Kor.
4,4), der schärfere Augen hat als ich. Da also wir armseligen
Menschen wegen dieser unbewussten Sünden genug in Angst sein
müssen, so ist es sehr nützlich dass wir alle hl. Messen zur
Nachlassung unserer Unwissenheiten dem Vater aufopfern. Das will
auch die Kirche andeuten, wenn sie den Priester in der Sekret
des 5. Sonntags nach Epiphanie beten lässt: "Wir opfern dir, o
Herr, ein Schlachtopfer der Versöhnung, damit du uns von unseren
Sünden erbarmend lossprächest." Denn diese unbewussten Sünden
können wir nicht beichten; wir wollen sie also Gott bekennen und
bitten, dass er uns um der hl. Messe willen davon losspreche.
9. Vom Versöhnungsopfer schreibt der hl. Papst Alexander: "Durch
Darbringung dieses Opfers wird der Herr versöhnt und verzeiht
auch große Sünden." Ich müsste einen ganzen Bogen vollschreiben,
wenn ich alle Aussprüche der hl. Väter beibringen wollte, die
diesen wahrhaft tröstlichen Gedanken enthalten. Ich will mich
aber begnügen mit dem, was die Kirche auf dem Konzil von Trient
über diesen Punkt sagt: "Weil in diesem göttlichen Opfer,
welches bei der hl. Messe vollbracht wird, ebenderselbe Christus
enthalten ist und unblutigerweise geopfert wird, der am Altare
des Kreuzes einmal sich selbst blutigerweise dargebracht hat,
lehrt die hl. Kirchenversammlung, dieses Opfer sei wahrhaft ein
Sühnopfer und es werde durch dasselbe bewirkt, dass, wenn wir
mit aufrichtigem Herzen und rechtem Glauben, mit Furcht und
Ehrerbietung, mit wahrer Reue zu Gott hintreten, wir
Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden in segensreicher Hilfe.
Denn durch die Darbringung dieses Opfers versöhnt, gewährt Gott
das Gnadengeschenk der Reue und lässt Vergehen und Sünden nach,
auch Große" (Sitzung 22, Kap. 2). Wie tröstlich und angenehm
sind diese Worte! Wie viel Lob und Dank sind wir Christus
schuldig, dass er uns ein so kräftiges Opfer der Versöhnung des
göttlichen Zornes gegeben hat!
10. Du möchtest aber fragen: "Was bedürfen wir eines Sühnopfers,
da wir ja doch nur durch wahre Reue und Buße den Zorn Gottes
versöhnen können?" Ich antworte dir: Das ist wahr, dass wir
durch wahre Reue Gottes Zorn versöhnen können; ich möchte aber
gern wissen, woher ein boshafter Sünder solche Reu bekommen mag!
Aus sich selbst - das ist so wenig möglich, wie dass ein Toter
sich selbst auferwecken könnte. Durch Anhörung einer Predigt
oder Lesung heiliger Bücher kann es wohl geschehen, dass einer
wahre Reue erweckt, aber nicht ohne besondere Gnade Gottes.
Diese Gnade ist der erzürnte Gott nicht verpflichtet zu geben;
er wird sie auch nicht so leicht geben, es sei denn, er würde
dazu in besonderer Weise bewegt. Nun gibt es aber nichts im
Himmel und auf Erden, was ihn mehr dazu bewegen könnte, als das
hl. Messopfer. Davon spricht ein frommer Pate also: "Die hl.
Messe ist für die Anwesenden ein Versöhnungsopfer in der Weise,
dass Gott ihnen Gnade verleiht, mit deren Hilfe sie das
verrichten können, was für sie zur Verzeihung ihre Todsünden
notwendig ist. Nämlich Gott gibt ihnen Gnade, um ihre Sünden zu
erkennen, zu bereuen und zu beichten."
11. Wie leicht man durch die Aufopferung der hl. Messe
Verzeihung erlangen kann, geht aus dem hervor, was Christ einst
zur hl. Gertrud gesagt hat. Als in der Karwoche die Antiphon
gesungen ward: "Er ist geopfert worden, weil Er es selbst
wollte", da sprach Christus zu ihr: "Wenn du glaubst, dass ich
am Kreuze dem Vater geopfert wurde, weil ich es so gewollt habe,
so glaube auch unbezweifelt, dass ich noch täglich mit derseIben
Liebe verlange, für einen jeden Sünder Gott dem Vater
aufgeopfert zu werden, mit der ich mich am Kreuze für das Heil
der Welt aufgeopfert habe. Deswegen kann ein jeder, von welch
schwerer Last der Sünden er sich auch bedrückt weiß, Verzeihung
seiner Sünden erhoffen, wenn er meinem Vater mein unschuldiges
Leiden und meinen Tod aufopfert."
12. 0 wahrhaftig ein süßes und tröstliches Wort! Sollte man es
denn glauben, dass die Liebe Christi so heiß wäre, dass er noch
täglich dem Vater aufgeopfert zu werden verlangt für jeden
Sünder wie einst am Kreuze für die ganze Welt, so muss er ja
wirklich mit der größten Liebe verlangen, täglich in der hl.
Messe von jedem aufgeopfert zu werden. So erfülle denn diesen
heißen Wunsch Christi, du armseliger Sünder, und opfere täglich
nicht nur einmal, sondern oftmals dem himmlischen Vater das
unschuldige Leiden und den bitteren Tod seines lieben Sohnes,
und vertraue auf das Versprechen Christi, dass du die heilsamste
Frucht der Nachlassung erlangen wirst. Diese Aufopferung kann
nicht allein in, sondern auch außer der Messe, nicht allein mit
dem Munde, sondern auch mit dem Gemüte geschehen. Wenn die bloß
geistige Aufopferung nun so wichtig und kräftig ist, o wie
wichtig und kräftig wird dann die wirkliche oder leibhaftige
Aufopferung sein, welche bei der hl. Messe geschieht. Denn bei
der hl. Messe opferst du Christum nicht allein mit Worten oder
geistiger Weise, sondern du opferst ihn durch die Hände des
Priesters wirklich und leiblicher Weise. Du opferst ja mit dem
Priester, wie dieser gleich nach der hl. Wandlung selbst
ausspricht: "Nun, o Herr, opfern wir, deine Diener, und dein
heiliges Volk deiner erhabenen Majestät ein reines Schlachtopfer
usw."
13. Nun muss ich noch hinzusetzen, was Christus zu St.
Mechtildis gesprochen, nämlich: "Ich komme mit solcher Sanftmut
zur hl. Messe, dass kein noch so schwerer Sünder allda
gegenwärtig ist, den ich nicht geduldig ertrage und dem ich
nicht, falls er's nur begehrt, alle seine Sünden mit Freuden
verzeihe." Diese wundersamen Worte zeigen uns, welch ein
mächtiges Versöhnungsopfer die hl. Messe ist, da sie auch
Christum selbst so sehr versöhnt, dass, wenn auch sein Feind zur
Messe kommt, er ihn nicht allein nicht verstößt, sondern ihm
gleichsam mit ausgebreiteten Armen entgegengeht und ihn als
lieben Freund zu umfangen bereit ist, und wenn er nur einen
einzigen Seufzer über seine Sünden ausstößt, so will er ihm
alsbald mit Freuden verzeihen. Über diese Weisheit finde ich im
Leben der Altväter ein schönes Beispiel: Der hl. Paulus der
Einfältige hatte von Gott die Gnade empfangen, die Geheimnisse
der Herzen zu erkennen. Wenn die Einsiedler des Sonntags zur
Kirche kamen, stellet er sich vor die Kirchtüre, und wenn er
einen mit Sünden behaftet fand, so offenbarte er sie ihm
insgeheim und ermahnte ihn zur Besserung. Als er wieder einmal
vor der Kirche stand, sah er einen Mann mit schwarzem Angesichte
und dunklem Leib daherkommen, zu dessen beiden Seiten Teufel
gingen, die ihn mit Ketten gebunden
hielten und hin- und herrissen. Der Schutzengel desselben
aber kam von Ferne und ging traurig einher. Der fromme Paulus
begann bitterlich zu weinen, mit der Hand an seine Brust zu
schlagen und den elenden Zustand dieses armen Sünders zu
beklagen. Die Einsiedler baten ihn, in die Kirche zur Hl. Messe
zu kommen; er aber blieb unter der Türe sitzen und weinte und
jammerte. Als nach der Hl. Messe die Mönche herauskamen, gab er
acht auf jenen Sünder, und siehe, derselbe kam mit verändertem
Angesichte daher, und sein Schutzengel ging mit großer Freude
neben ihm, die Teufel aber schlichen von Ferne nach. Das sprang
der Hl. Paulus vor Freude auf und sprach: „ O unaussprechliche
göttliche Gütigkeit! O unergründliche göttliche Barmherzigkeit!“
Alsdann stellte er sich auf eine Stiege und rief: „Kommt ihr
Brüder, und staunet über die Wunder Gottes, höret und vernehmet,
was sich zugetragen hat. Und er sagte Ihnen, was er gesehen.
Daraufhin sprach der Mann: „ Ich bin ein großer Sünder und habe
lange Zeit in Unzucht gelebt. Als ich aber soeben in der Epistel
die Worte des Propheten Isaias lesen hörte:“Waschet, reinigt
euch, tut eure bösen Gedanken von meinen Augen; wenn eure Sünden
wie Scharlach wären, sollen sie weiß werden wie Schnee,“
(Is.1,16.18) da
seufzte ich zu Gott und sprach: O Gott, der du in die Welt
gekommen bist, die Sünder selig zu machen, erfülle diese deine
Verheißungen an mir armen Sünder. In solchen Gedanken fuhr ich
fort durch die ganze Hl. Messe und sprach: Herr, ich verspreche
dir, solche Übel nicht mehr zu begehen; O Herr, nimm mich armen
Sünder auf in dieser Stunde. Und mit diesem Versprechen verließ
ich die Kirche.“ Fürwahr,
hier müssen wir ausrufen: O hochheiliges Messopfer, wie groß ist
deine Kraft und wie mächtig ist deine Wirkung in Bekehrung der
Sünder! O wie viele verstockte Sünder sind durch dich bekehrt
und vor dem ewigen Verderben gerettet worden!
14. Wie groß ist also die Kraft und wie mächtig die Wirkung der
hl. Messe zur Bekehrung der Sünder! 0 wie viele verstockte
Sünder sind durch sie bekehrt und vor dem ewigen Verderben
bewahrt worden! Sind wir denn nicht unserm göttlichen Heiland
aufs höchste verpflichtet, dass er uns ein so heilsames und
kostbares Sühnopfer gegeben hat? Wie unglücklich waren, mit uns
verglichen, die alten Juden, welche so teure Sühnopfer hatten
und dennoch mit solchen teuren Opfern nicht eine einzige Sünde
auslöschen konnten, wie Paulus sagt: "Es ist unmöglich, da durch
das Blut von Böcken und Stieren Sünden hinweg genommen werden"
(Hebr. 10, 4). Wenn wir für eine jede Sünde ein Lamm oder ein
Böcklein aufopfern müssten, wo wollten wir genug Opfertiere
hernehmen? Gewiss würden wir unsere Sünden ungebüßt lassen und
ohne Zweifel mit denselben in die Hölle gestürzt werden. Denn da
wir jetzt, wo wir ein so sehr kräftiges Opfer ohne große Kosten
haben, es dennoch so leichtsinnig versäumen und so nachlässig
anhören, was würden wir denn getan haben, wenn wir vor Christi
Geburt gelebt hätten? Bedenke denn bei dir o armer Sünder, wie
schlecht du gegen dich selbst handelst, dass du so manche Messe
versäumst und die Abbüßung deiner Sünden für jene Welt
verschiebest. Bessere diesen Fehler durch neuen Eifer und opfere
deinem Gott die hl. Messe recht oft als Sühnopfer auf.
1. Wie die hl. Messe die Verzeihung der Sünden erwirkt und
verstockte Sünder bekehrt.
15. Dass die hl. Messe wirklich ein Sühnopfer ist, kannst
entnehmen aus den Worten des hl.Thomas von Aquin, in denen er
ausführt, dass uns durch dieselbe die Früchte des Leidens
Christi zugewendet werden, deren wir täglich bedürfen wegen
unserer täglichen Sünden: (Sa III, 83, 2). Die Früchte des
Leidens Christi bestehen aber ganz besonders in der Nachlassung
der Sünden. An einer anderen Stelle (III. 49, 4) sagt derselbe
Heilige: „Die eigentliche Wirkung des Hl. Messopfers ist die,
dass Gott versöhnt wird.“, gleichwie der Mensch eine ihm
zugefügte Beleidigung nachlässt wegen eines angenehmen Dienstes,
der ihm geleistet wird." Wo aber wird Gott ein größerer Dienst
erwiesen als durch die hl. Messe? Soll also der erzürnte Gott
dadurch nicht wieder versöhnt werden? Dieser Lehre des Doctor
angelicus stimmen alle anderen Lehrer bei, und auch aus der hl.
Schrift lässt sie sich beweisen. Denn als Esau mit seinem Bruder
Jakob sehr zornig war, da dieser ihm den väterlichen Segen und
das Recht der Erstgeburt genommen halte, befürchtete Jakob sehr,
der erzürnte Esau würde sich an ihm rächen. Da sprach er: "Ich
will ihn mit Geschenken versöhnen, vielleicht, dass er mich in
Gnaden aufnimmt" (Gen. 32, 20). Er schickte ihm deswegen ganze
Herden von seinem Besitz entgegen und versöhnte dadurch den
erzürnten Bruder. Wenn du also bei der hl. Messe dem erzürnten
himmlischen Vater die Tugenden und Verdienste, das Leiden und
Sterben, die Wunden und Schmerzen seines Sohnes aufopferst, so
wirst du ihn viel schneller versöhnen als Jakob den Esau, da
diese genannten Gaben von unendlichem Werte sind und Gott über
alle Maßen gefallen. Deine begangenen Sünden schreien zwar um
Rache, das in der Messe vergossene Blut Christi aber schreit um
Barmherzigkeit; weil aber dieses Rufen allmächtig ist, so dringt
es weiter als das Geschrei deiner Sünden. Daher spricht auch
Albertus Magnus: "Allen Zorn und Unwillen Gottes löschen wir
durch diese kostbare Gabe aus."
16. Dass die Kraft der hl. Messe die reuigen Sünder mit Gott
versöhnt, daran zweifelt niemand, aber nun ist die Frage, ob sie
auch Sünder ohne Reue versöhne. Nämlich wenn einer im Stande der
Ungnade oder in der Todsünde die hl. Messe hört oder für sich
lesen lässt, oder wenn du für einen solchen dasselbe tust, ob
dieser durch die Kraft der hl. Messe zum Stande der Gnade kommt
und mit Gott versöhnt wird. Auf diese Frage antworte ich mit
Nein, denn das eigentliche Mittel zur Sündenvergebung ist die
Beichte, und kein Sünder kann aus der Ungnade zur Gnade Gottes
kommen als nur durch wahre Reue und Buße.
17. Hier magst du nun wiederum fragen: "Was nützt es denn also
dem Sünder, wenn er ohne Reue die hl. Messe hört?" Antwort: "Sie
nützt ihm sehr viel, sowohl an zeitlichen wie geistlichen
Dingen. An zeitlichen Dingen nützt sie ihm, weil Gott ihn dafür
vor Unglück bewahrt oder ihm irgendwelches Glück beschert. Die
Ursache davon ist, weil nach unserer katholischen Lehre Gott
wegen seiner unendlichen Gütigkeit nicht das geringste Gute
unbelohnt lässt: wie viel mehr wird er dann eine hl. Messe
belohnen! Er würde gern einen ewigen Lohn dafür geben, wie die
hl. Messe verdient; aber weil ein solcher Sünder der ewig
Belohnung nicht fähig ist, so wird sie ihm von Gott aus lauter
Güte zeitlicherweise belohnt, nämlich durch Bescherung eines
Glücks oder Bewahrung vor einem Unglück. Auf diese Weise nützt
ihm also die hl. Messe viel an zeitlichen Dingen.
18. An geistlichen Dingen nützt sie ihm viel mehr. Denn nach der
Lehre der Theologen oder Gottesgelehrten bewirkt die hl. Messe
unmittelbar die zuvorkommende Gnade, durch deren Kraft der
Sünder zur Erkenntnis und Verabscheuung seiner Todsünden kommt.
Wenn er dieser Gnade folgt, so verschafft ihm d hl. Messe auch
noch weiter die Gnade einer wahren Reue und Buße, einer guten
Beichte, aufdass er von seinen Sünden befreit werde. Aber
freilich: die hl. Messe und die durch erlangte Gnade zwingt den
Menschen nicht, sondern lässt ihm seinen freien Willen. Wenn
also der Sünder willens ist, in der Sünde zu verharren und
fortzufahren, so bietet ihm zwar Gott wegen der gehörten Messe
seine Gnade und Hilfe an, was er ohne die Messe nicht so getan
hätte; der Sünder jedoch will die Gnade nicht sondern stößt und
wirft sie von sich. Das hebt aber den Wert d hl. Messe als
Versöhnungsopfer nicht auf. Denn also lehrt die Hl. Kirche: „Wer
da sagt, das Messopfer sei kein Versöhnungsopfer, der sei im
Bann.“ (Sitzung 22, Kap.3)Sie wird Versöhnungsopfer genannt,
weil sie aus den Verdiensten Christi dem Sünder Hilfe leistet,
seine Sünden zu erkennen und zu bereuen. Diese Hilfe ist sicher
und wird denjenigen zuteil, welche die Hl. Messe hören. Denn
wäre dem nicht so, so hätte die hl. Messe keine größere Kraft
als irgendein anderes gutes Werk, welches von einem frommen
Menschen für einen Sünder aufgeopfert wird.
19. Es folgt jedoch nicht
hieraus, dass die Wirkung des Messopfers sofort offenbar wird,
oder dass sich der Sünder sofort bekehre, sondern das kann auch
zu gelegener Zeit geschehen. Denn wir wissen ja, dass, obwohl
Christus am Kreuze für die Sünder gebetet und sein bitteres
Leiden und Sterben für sie aufgeopfert hat, dennoch von so
vielen Tausend gar wenige bekehrt worden sind, die reumütig an
die Brust schlugen und voll Glauben sprachen. "Wahrhaftig,
dieser war der Sohn Gottes." Die anderen blieben verstockt und
haben die angebotene Hilfe und Gnade Gotte ausgeschlagen. Am hl.
Pfingsttag aber, als ihre harten Herzen durch die Predigt des
hl. Petrus erweicht und zur Annahme der Gnade Gottes befähigt
waren, da erst brachte das Gebet und das Kreuzesopfer Christi
seine Wirkung hervor, indem sich dreitausend Menschen auf einmal
bekehrten.
20. Ebenso bekehrt auch die hl. Messe die Sünder nicht immer
sofort, sondern auch später, zu gelegener Zeit, wenn nämlich die
Verstocktheit vorüber und das Herz des Sünders zur Aufnahme der
Gnade fähiger geworden ist. Davon spricht Marchantius in
folgenden Worten: "Die hl. Messe löscht die Sünden nicht aus,
sondern erwirbt uns Reue oder Beweggründe zu wahrer Reue. Diese
Reue wird manchmal zur Zeit der Messe eingegossen, die für einen
gelesen wird, bisweilen auch zu gelegener Zeit, immer aber um
des hl. Messopfers willen. Also geschieht es, dass viele nach
langer Zeit durch besondere Hilfe Gottes bekehrt werden, ohne zu
wissen, dass sie dies der Kraft der hl. Messe zu verdanken
haben. Manchmal werden die Sünde gar nicht bekehrt, weil sie die
Hilfe, welche Gott ihnen anbietet, nicht annehmen oder nicht
mitwirken."
21. Wenn also ein zur Reue gestimmter Sünder seinem Gott die
eine oder andere hl. Messe aufopfert, um ihn gnädig zu stimmen,
so wird Gott ihm gewiss die Gnade der Bekehrung und Besserung
mitteilen. Dies bezeugt die hl. katholische Kirche auf dem
Konzil von Trient (Sitzg. 22, Kap. 2): "Wenn wir voll Reue zu
Gott herantreten, so werden wir Barmherzigkeit erlangen und
Gnade finden. Denn durch die Darbringung, dieses Opfer versöhnt,
gewährt der Herr Gnade und die Gabe der Reue und lässt die
Vergehen und auch große Sünden nach." 0, was für einen Trost
bringen diese Worte den Sündern! Welche Hoffnung erwecken sie
bei den Kleinmütigen und halb Verzagten! Durch die Erwägung
derselben können sie sich ja für versichert halten, dass sie den
heftig erzürnten Gott durch Aufopferung der hl. Messe versöhnen
können, so dass er seinen Zorn ablegt, die begangenen Missetaten
verzeiht und seine Gnade und Freundschaft anbietet. Hier möge
erfüllt werden, was Sirach gesagt hat: "Sich vom Bösen
entfernen, ist Gott wohlgefällig, und die Ungerechtigkeit
meiden, ist ein Gebet für die Sünde, doch erscheine nicht leer
vor dem Angesicht des Herrn" (Ekkli. 35, 5f.), opfere ihm
vielmehr seinen eingeborenen Sohn als Sühnopfer auf, wie es an
anderer Stelle heißt: "Eine verborgene Gabe löscht den Zorn aus
und ein Geschenk im Schoss eine sehr große Ungnade." (Spr. 21,
14.) Was ist dies für eine verborgene Gabe als eben der Leib
Christi unter der Gestalt des Brotes, und was ist dies für ein
Geschenk im Schoss als eben das Christkindlein ruhend in der
Mutter Schoss? Diese verborgene Gabe, dieses kostbare Geschenk
sollen wir in der hl. Messe aufopfern, so werden wir den Grimm
des erzürnten Gottes und seinen heftigen, wider uns geschöpften
Unwillen auslöschen und versöhnen.
22. Das tut der Priester im Namen aller Anwesenden, sagt der hl.
Bonaventura, wenn er bei Aufhebung der hl. Hostie in seinen
Gedanken etwa spricht: "0, himmlischer Vater, wir armen Sünder
haben gesündigt und dich heftig erzürnt. Nun aber schaue in das
Angesicht deines Gesalbten, welchen wir dir andächtig vorstellen
und lass deinen Zorn in Barmherzigkeit verwandelt werden. Wende
dein Angesicht nicht ab von ihm, von welchem du selbst gesagt
hast: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein
Wohlgefallen habe. Und seinetwillen bekehre uns zu dir und wende
deinen Zorn von uns ab." Durch solche Bitte und Aufopferung
haben viele Sünder die Gnade der Bekehrung erlangt, die sie so
vielleicht nie erhalten hätten. Denn dieses Sühnopfer hat die
Kraft dass es harte Herzen erweichen und verstockte Sünder
bekehren kann, was uns die Kirche andeuten will, indem sie in
einer Sekret also spricht: "0, Herr, nimm doch dieses Opfer
gnädig auf, lass dich dadurch versöhnen und ziehe doch unsern
rebellisch widerspenstigen Willen gnädig zu dir." So würde die
Kirche nicht beten, wenn sie nicht wüsste, dass auch verstockte
Sünder durch Aufopferung dieses allmächtigen Versöhnungsopfers
bekehrt werden können und auch schon oft bekehrt worden sind.
Darum soll jeder Sünder, mag er auch so tief im Schmutz der
Sünden stecken, dass es ihm vorkommt, als sei es ihm gar nicht
mehr möglich sich zu bekehren, recht oft die hl. Messe hören und
mit obigen Worten der Sekret: "0 Herr, nimm doch mein Opfer an,
ach, lass dich doch dadurch versöhnen und zwinge meinen
widerspenstigen Willen gnädig zu dir"— den barmherzigen Gott
bitten, dass ihn durch die große Kraft der hl. Messe bekehren
wolle.
23. Hier möchte aber einer einwenden: Was wird denn ein solch
Gebet nützen, da doch die hl. Schrift sagt: "Wer sein Ohr
abwendet, dass er das Gesetz nicht hört, dessen Gebet ist ein
Gräuel vor Gott." (Spr. 28, 9). Diese Frage beantwortet der
engelgleiche Lehrer, der hl. Thomas von Aquin: "Sobald das Gebet
des Sünders aus einem natürlich guten Verlangen hervorgeht, hört
Gott auf dasselbe, nicht freilich wie aus Gerechtigkeit, weil
der Sünder dies nicht verdient, sondern aus purer
Barmherzigkeit." (Sa. theol. 2 II. 83, 16.) Gesetzt aber, Gott
wolle in seinem Zorn auf das Gebet des Sünders gar nicht achten,
so ist es doch gewiss, dass er die hl. Messe, die dieser ihm
aufopfert nicht ausschlägt, sondern zu größtem Gefallen
aufnimmt. Ich sage nicht, dass das Gebet, das der Sünder bei der
Messe spricht, Gott gefällt, sondern sage, dass die hl. Messe,
auch die von einem verstockten Sünder aufgeopferte, ihm über die
Maßen angenehm ist. Wenn dir dein Feind durch seinen Diener
tausend Taler schickte würdest du sie wohl annehmen? Ich meine,
wenn du in Not wärest, sogar gern, und du würdest bei dir
sprechen: "Wiewohl dieser mein Feind mir zuwider ist, so sind
mir doch die geschenkten tausend Taler lieb und nützlich." So
wird auch der gerechte Gott von einem Sünder die allerkostbarste
Gabe des Leibes und Blutes seines Sohnes gutwillig annehmen und
bei sich sprechen: Wiewohl dieser mein Feind ist und mir ganz
zuwider, so ist mir doch die Gabe, welche er mir verehrt, über
die Maßen lieb und angenehm. Und weil er mir dieselbe opfert und
mir dadurch eine besondere Ehre erweist, so will ich ihm dafür
meine Gnade anbieten, und wenn er sie annimmt, so will ich aller
zugefügten Schmach vergessen und ihn wieder in meine
Freundschaft aufnehmen.
24. Dieser Gedanke stammt nicht von mir, er ist vielmehr aus den
Worten des Konzils von Trient geschöpft, welches lehrt, "dass
Gott durch die Aufopferung der hl. Messe versöhnt werde und auch
große Fehler und Sünden verzeihe." 0, wohl ein treues und für
alle Sünder sehr tröstliches Wort! Schöpfe neue Hoffnung,
verzagter Sünder, fasse neues Vertrauen auf Bekehrung und
Rettung, und aus den Fesseln der Verzweiflung fliehe zu dem
aIlermächtigsten Versöhnungsopfer! Denn obwohl die hl. Schrift
sagt, dass der Gottlose Gott verhasst sei (Weish. 14,9), so gehe
recht eifrig zur hl. Messe und opfere dieselbe mit allem Ernst
auf. Und wenn du auch mit der Todsünde im Herzen die hl. Messe
hörst, so tust du dadurch ja keine neue Todsünde, wie etwa der
Priester, der im Stande der Sünde die hl. Messe lese, oder der
Laie, der unwürdig kommuniziert, sondern du erlangst Hilfe, aus
dem Stand der Ungnade herauszukommen.
25. Das geschieht auch, wenn ein frommer Mensch für einen Sünder
die hl. Messe hört und sie Gott für die Bekehrung desselben
aufopfert. Davon haben wir eine vortreffliche Erzählung in den
Offenbarungen der hl. Gertrud. Als diese Braut Christi einmal
während der hl. Messe den Heiland bat, er wolle diejenigen
Sünder, die sich noch bekehren und selig werden sollten, mit
seiner Gnade zuvorkommen und sie wegen der hohen Würde der hl.
Messe vor der bestimmten Zeit bekehren, da hätte sie auch gern
um die Bekehrung derjenigen Sünder gebeten, welche verdammt
werden würden, weil sie mit diesen armseligsten Sündern gar
großes Mitleid trug. Sie wagte es aber gar nicht, für sie zu
bitten, weil sie fürchtete, nicht erhört zu werden. Der Herr
aber wollte diesen Kleinmut bessern und sprach zu ihr: "Soll
denn die Würde der Gegenwart meines unbefleckten Leibes und
kostbaren Blutes nicht so viel verdienen, dass auch diejenigen,
welche im Stande der Verdammnis sind, zum Stande eines besseren
Lebens berufen werden?" Über diese mildreichen Worte wunderte
sich die hl. Gertrud sehr, erwog sie inbrünstig in ihrem Herzen
und sprach dann mit großem Vertrauen zu Gott: "Ich bitte dich, o
allergütigster Heiland, durch die hochwürdige Gegenwart deines
unbefleckten Leibes und kostbarsten Blutes, du wollest doch
einige Sünder, die im Stande der Verdammnis stehen, zu deiner
göttlichen Gnade führen. Zur Gewährung dieser meiner Bitte
opfere ich dir, und durch dich der hl. Dreifaltigkeit auf dieses
hl. Messopfer samt allem, was du zum Heil der armen Sünder auf
diesem Altare wirkest." Diese inbrünstige Bitte nahm der Herr
mit großer Milde an und versicherte St. Gertrud, er habe ihre
Bitte erhört und etliche Sünder der Verdammnis entzogen und in
den Stand des Heiles versetzt.
26. Schöpfe denn, o armer Sünder, hieraus neue Hoffnung auf
deine Rettung, höre manche Messe mit möglichster Andacht und
opfere sie auf zu deiner Bekehrung und zur Belehrung so vieler
anderer verstockten Sünder!
2. Wie die hl. Messe die lässlichen Sünden austilgt.
27. Das Versöhnungsopfer betrifft auch die lässlichen Sünden,
welche den lieben Gott ebenfalls erzürnen, u. zw. mehr, als wir
armselige Sünder uns einbilden. Ich will dies durch ein
Gleichnis beweisen, durch welches du die Bosheit der lässlichen
Sünde einigermaßen erkennen wirst. Ein Vater hatte einen Sohn,
der ihn täglich öfters vorsätzlicherweise erzürnte. In der
Arbeit war er nachlässig, er war der Trägheit und dem Spiel
ergeben, das Geld des Vaters wendete er übel an. Die Ermahnungen
des Vaters beachtete er nicht, und seine Drohungen verspottete
er. Der Vater beklagte sich oft über diesen seinen unnützen
Sohn; dieser aber entschuldigte sich und sprach: "Was beklagst
du dich über mich? Ich schlage dich ja doch nicht und bringe dir
keine tödliche Wunde bei!“
28. Dieses Gleichnis beziehe auf dich und deinen himmlischen
Vater und lerne daraus, wie oft und schwer du dich alle Tage
wider ihn versündigst. Du fügst ihm zwar keine tödliche Wunde
bei, d. i. du begehst zwar keine Todsünde, gleichwohl machst du
ihm durch deine lässlichen Sünden so viel Verdruss, dass er
gerechte Ursache hat, über dich zu zürnen und zu klagen. Diesen
Unwillen verursachst du täglich und vermehrst dadurch seinen
Zorn und deine Strafe. Wenn du nun kein Versöhnungsopfer
hättest, um den Zorn deines himmlischen Vaters zu besänftigen,
wo würde dein Elend endlich hinauskommen? Wenn auch deine
täglichen Sünden keine Todsünden, sondern lässliche sind, so
hast du doch ein Sühnopfer überaus nötig, damit der Zorn Gottes
nicht endlich überhandnehme und er dich als einen unnützen Sohn
aus seinem Hause vertreibe.
29. Um diesem Übel zuvorzukommen hat der gütigste Jesus dir und
mir und allen Menschen zum Heil ein kräftiges Versöhnungsmittel
verordnet und das göttliche Opfer der hl. Messe eingesetzt,
welches nicht allein gegen die Todsünden, sondern auch gegen die
lässlichen Sünden von besonderer Kraft ist. Dies bezeugt die hl.
katholische Kirche mit den ausdrücklichen Worten, dass Christus
beim letzten Abendmahle die hl. Messe eingesetzt habe, "damit
die heilsame Kraft des Kreuzesopfers uns zugeeignet würde zur
Verzeihung derjenigen Sünden, welche von uns täglich begangen
werden." (Trid. Sitzg. 22, Kap. I. ) Das sind die Worte der
Kirche, welche keiner Erklärung weiter bedürfen, da sie uns klar
anzeigen, dass die hl. Messe besonders zur Verzeihung der
täglichen oder lässlichen Sünden von Christi verordnet ist.
30. Der hl. Paschasius sagt dasselbe mit den Worten: "Dies Opfer
wird täglich wiederholt, weil wir täglich sündigen und solche
Sünden begehen, ohne welche die menschliche Schwachheit nicht
leben kann. Weil also der Christ täglich fällt, so wird Christus
täglich geistiger Weise geschlachtet." Christus hat uns zwar
noch andere Mittel gegeben, die täglichen Sünden abzubüßen,
nämlich: die Reue, an die Brust klopfen, das Vaterunser beten,
sich mit Weihwasser besprengen und dergleichen mehr; keines aber
so kräftig wie das Hören und Aufopfern der hl. Messe.
31. Hiervon sagt der gelehrte Suarez: "Es ist anzunehmen, dass
diejenigen, welche die hl. Messe zur Verzeihung ihrer lässlichen
Sünden aufopfern, dieselbe ganz gewiss wenigstens bittweise
erlangen, weil sie alsdann einen Willen haben, welcher den
lässlichen Sünden widerstrebt." Als wollte er sagen: Weil keine
Sünde, auch nicht eine lässliche, verziehen wird, es sei denn,
dass sie den Menschen reue und leid tue, so soll er recht die
Kraft der hl. Messe zur Nachlassung der lässlichen Sünden
begehren, denn das ist ein Zeichen, dass sie ihm leid tun und
dass er gern von ihnen frei wäre. Ein anderer Schriftsteller
sagt dafür, wir bekämen gewiss Verzeihung derjenigen Sünden, an
denen wir keine Lust haben. Pater Jakob Stratius schreibt: "Die
Frucht der hl. Messe ist gewaltig groß, weil sie uns die
unergründlichen Reichtümer der Verdienste und Genugtuungen
Christi zueignet. Die lässlichen Sünden schmelzen vor der Messe
wie das Wachs vor dem Feuer, und viele durch die Sünden
verschuldete Strafen werden durch die Kraft der hl. Messe
ferngehalten." Darin hat der gelehrte Pater vollständig recht,
denn die lässlichen Sünden werden durch das Feuer der göttlichen
Liebe, welches während der hl. Messe auf dem Altare brennt,
vollständig verzehrt. Darum sprich zu
Anfang derselben beim
Konfiteor: "0 gerechter
Gott, alle Sünden meines Lebens lege ich mit reuigem Herzen
und festem Vertrauen auf diesen hl. Altar, auf dass sie durch das Feuer
deiner göttlichen Liebe ganz verzehrt und durch das kostbare
Blut meines Jesu ganz ausgelöscht und durch dessen unendlichen
Verdiensten völlig bezahlt werden mögen. Amen."
32. Für diese große Wohltat können wir unserem Heiland niemals
genug danken. Denn wenn wir dieses göttliche Opfer nicht hätten
oder dasselbe nicht zur Austilgung unserer lässlichen Sünden
anwendeten, was für eine Last solcher Sünden würden wir vor
Gottes Gericht bringen, wie lange und schwere Peinen müssten wir
in jener Welt dafür leiden! Denn dies sind jene Sünden, von
welchen David sagt: "Meine Sünden sind zahlreicher als die Haare
meines Hauptes" (Ps. 39, 13), und die Kirche: "Ich habe
gesündigt über die Zahl der Sandkörner des Meeres." Von diesen
Sünden heißt es: "Die Sünden, wer merket sie?" (Ps. 18, 13.) Wir
merken viele nicht, darum beichten und bessern wir sie nicht.
Wir löschen sie aber aus und büßen sie ab durch dieses
allerkräftigste Versöhnungsopfer, das unser größter Wohltäter
uns freigebig geschenkt hat.
33. Willst du nun wissen, wie du es machen sollst, um bei der
hl. Messe Verzeihung deiner lässlichen Sünden zu erlangen, so
folge dem Beispiel der hl. Gertrud, von welcher in ihren
Offenbarungen geschrieben steht: "Als einmal in der hl. Messe
(welche die wahrhaftigste und allerkräftigste Versöhnung aller
menschlichen Schuld ist) das hochheiligste Schlachtopfer von dem
Priester geopfert ward, da opferte St. Gertrud dasselbe dem
Herrn zur Sühne und Reinigung aller ihrer Sünden. Gott nahm dies
mit Wohlgefallen an und nahm sie auf in seinen mildesten
Schoss." Aus diesen Worten magst du abnehmen, was für eine
gewaltige Kraft in der Aufopferung der hl. Messe verborgen ist.
Denn als St. Gertrud, die ihr Lebtag niemals eine schwere Sünde
begangen hat, bei der Wandlung mit ganzem Ernst sprach: "Ich
opfere dir diese hochheiligste Hostie zur Sühne und zur
Reinigung aller meiner Sünden", da bekommt sie von Gott die
Versicherung, dass ihre Seele nicht allein von ihren Makeln
gereinigt, sondern in den Schoss des himmlischen Vaters
aufzunehmen gewürdigt ward.
Darum sprich auch du bei der hl. Wandlung: "Himmlischer
Vater! Mit innigster Andacht opfere ich dir durch die Hände des
Priesters diese hochwürdigen Opfergaben des Leibes und Blutes
deines Sohnes auf mit der Bitte, mir alle meine begangenen Tod-
und lässlichen Sünden zu vergeben. 0 Gütigster Vater, weil
dieses hochheilige Opfer genügt zur vollen Versöhnung der ganzen
menschlichen Schuld, so wollest du dich dadurch versöhnen
lassen, mir meine unzählbaren Sünden verzeihen und die
verschuldeten Strafen nachlassen." Je öfter und fleißiger du
dieses tust, desto mehr lässliche Sünden löschest du aus. Ja,
ich vermeine, dass um einer einzigen andächtigen Messe willen
mehr lässliche Sünden vergeben werden, als einer den ganzen Tag
begangen hat. Denn wenn du die übernatürliche Kraft des hl.
Messopfers wohl erwägst, so wirst du auch erkennen, dass
dasselbe kräftig genug ist, um alle deine Sünden und
Übertretungen zu tilgen.
34. Hier sollst du auch wissen, dass die hl. Messe nicht nur die
lässlichen Sünden auslöscht, sondern die Seele auch von allen
Makeln und Flecken reinigt. Das bezeugt der hl. Johannes
Damascenus mit den Worten: "Das unbefleckte und unblutige
Messopfer ist eine Verbesserung aller Schäden und eine Reinigung
von allen Unreinigkeiten." Das hat Gott schon früher durch den
Propheten Ezechiel weissagen lassen mit den Worten: Ich will ein
reines Wasser über euch ausgießen, dass ihr gereinigt werdet von
allen euren Missetaten." (Ezech. 36, 25.) Diese Reinigung
geschieht durch das heiligste Wasser, das aus der geöffneten
Seite Christi geflossen ist, wovon Johannes sagt: "Einer von den
Soldaten öffnete seine Seite mit einer Lanze, und sofort floss
Blut und Wasser heraus. (Joh. 19, 34.) Dies ist nicht zufällig,
sondern aus besonderer Fügung Gottes geschehen. Denn Jesus
wollte diese Wunde an seiner Seite empfangen und nach seinem
Tode offenhalten, damit sie würde "ein Quell lebendigen Wassers,
das fortströmt ins ewige Leben."(Joh. 4, 14.)
35. Diese Quelle hat vorhergesagt der Prophet Zacharias: „An
demselben Tage wird sich eine Quelle öffnen für das Haus Davids
und die Bewohner Jerusalems zur Reinigung der Sünder." (Zach.
13, 1.) Dieser heilsame Brunnen fließt unaufhörlich; jeder kann
frei hinzutreten, um seinen Durst zu löschen und seine Flecken
abzuwaschen. Er fließt aber nur über die, welche auch wirklich
zu ihm kommen. In allen Messen fließt er über alle
Gegenwärtigen, weil die Seitenwunde Christi alsdann von neuem
geöffnet wird. 0, wie sind wir so glücklich und überglücklich,
dass dieser göttliche Brunnen allzeit zu unserer Reinigung
fließet und jedem Hinzutretenden seine Wasser umsonst und im
Überfluss mitteilt! Wie viele Sünder sind hingegangen und haben
mit Freuden daraus geschöpft nach den Worten des Isaias:
"Ihr werdet Wasser
schöpfen mit Freuden aus den Quellen des Heilandes.“ (Is. 12, 3.) Jene Sünder aber, die aus Nachlässigkeit nicht hingehen,
sondern lieber in ihrem Wust verschmachten wollen, lädt er noch freundlich ein mit den Worten:
"Alle, die ihr dürstet, kommet zum Wasser, und die ihr kein Geld
habt, kommet und kaufet ohne Geld und ganz umsonst Wein und
Milch!" (Is. 55,1.) Und am Schlusse der ganzen hl. Schrift heißt
es noch einmal: "Der Geist und die Braut sprechen: Komm! und wer
es hört, der spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme, und wer
will, der nehme Wasser des Lebens umsonst." (Offbg. 22, 17.)
Beachtedoch, wie treulich uns Isaias und St. Johannes zu diesem
Brunnen einladen, da sie beide wohl wissen, wie heilsam uns das
Wasser des göttlichen Heilandes ist. Es ist ein Bad, in welchem
unsere Seele gebadet, gereinigt und geheiligt wird, ohne dass
uns dieses kostbare Perlenwasser auch nur das Geringste kostet.