Die Erklärung des Heiligen
Messopfers
von Pater Martin von Cochem
Die hl. Messe ist das würdigste Genugtuungsopfer.
1. Zu Anfang dieses Kapitels sollst du wissen, dass eine jede
Sünde vor allem zwei Übel hervorbringt, nämlich die
Schuld und die
Strafe. Die schwere
Schuld oder Ungnade Gottes wird uns durch die Reue und Beichte
nachgelassen, wozu uns die hl. Messe Gnade und Hilfe erwirbt;
die Schuld der lässlichen Sünden kann auch durch die hl. Messe
selbst nachgelassen werden, wie wir im vorigen Kapitel gesehen
haben. Mit der schweren Schuld wird auch immer die ewige Strafe
aufgehoben; aber die
zeitlichen Strafen,
die du hier auf der Erde oder im Fegefeuer abzubüßen hättest,
werden nicht alle bei Vergebung der Sünden nachgelassen, sondern
gewöhnlich nur zum Teil, nämlich je nachdem die Reue
schmerzlicher, die Beichte herzlicher und die Buße peinlicher
ist. Weil aber gemeiniglich unsere Reue gar schwach, die Beichte
gar schlecht und die Busse gar gering ist, so wird uns auch
gemeiniglich von der Strafe nur wenig geschenkt. Was dann übrig
ist, müssen wir mit Beten, Wachen, Fasten, Almosen, Wallfahrten,
Abtötung, Beichten und Kommunizieren, durch die hl. Messe und
Ablässe bezahlen oder im Fegefeuer abbüßen. Alle diese Bußen
sind unserer Sinnlichkeit sehr zuwider und werden von vielen
nicht verrichtet. Was soll dann aber aus uns werden, welcher Rat
bleibt uns da?
2. Wir sollen folgen dem Knechte im Evangelium, von welchem
Christus erzählt: "Das Himmelreich ist einem Könige gleich,
welcher mit seinen Knechten Abrechnung halten wollte. Da brachte
man ihm einen, der war ihm zehntausend Talente schuldig. Da er
aber nicht bezahlen konnte, fiel er dem Herrn zu Füssen und
sprach: Habe Geduld mit mir, ich will dir alles bezahlen." (Vgl.
Matth. 18.) Wer verwundert sich nicht über diesen vermessenen
Knecht, welcher nicht um Nachlassung oder Verringung dieser
ungeheuren Schuld bat, sondern nur um Aufschub und Geduld. Wie
wäre es denn diesem armen Knecht möglich gewesen, die ungeheure
Schuld zu bezahlen, und wenn er auch zweihundert Jahre zu leben
gehabt hätte? Denn ein Talent hat den Wert von mehr als
dreitausend Mark oder Kronen. Nun rechne du aus, wie groß die
Schuld von zehntausend Talenten sein mag!
3. Du sollst wissen, dass dies keine wirkliche Geschichte,
sondern ein Gleichnis ist, und dass dieser Knecht einen großen
Sünder bedeutet, welcher viele schwere Sünden begangen und Gott
gegenüber viele Schulden gemacht hat. Du, o Sünder, bist
derjenige, zu dem Christus sagt: "Du weißt nicht, wie so elend
und erbärmlich, wie so blind und nackt du bist" (Offbg. 3, 17).
Ja, du weißt nicht und glaubst auch nicht, in was für schweren
Schulden du mit deinen zehntausend Talenten steckst. Wie willst
du mit all deinen guten Werken zehntausend Talente bezahlen, der
du in deinem ganzen Leben nicht ein einziges Talent verdienen
kannst? Ja, eine einzige Todsünde zieht eine so große Strafe
nach sich, dass, wenn du dieselbe aus dem reichsten Erbteil oder
aus deinen Kräften zahlen solltest, du in Ewigkeit daran zu
zahlen hättest. Ich will dir also ein gutes Mittel an die Hand
geben, wie du aus dieser ungeheueren Schuld herauskommen kannst.
Falle mit dem Knechte deinem Gott und Herrn zu Füßen und sprich:
"Habe Geduld mit mir, verleihe mir nur noch einige Zeit zur
Buße, so will ich dir alles bezahlen!" Ich will fleißig und
andächtig die hl. Messe hören und sie dir zur Bezahlung der
schweren Schuld aufopfern.
4. Diesen Rat gibt dir der gelehrte Pater Sanchez mit den
Worten: "Wenn du die hl. Messe hörst, so denke daran, dass sie
dein eigen ist und dass sie dir sowohl von Gott dem Vater wie
Gott dem Sohn geschenkt ist. Dass sie aber dein eigen ist, sagt
ja der Priester beim Orate, frates: `Betet, Brüder, dass mein
und euer Opfer angenehm werde bei Gott dem allmächtigen Vater."
Er sagt zu allen Anwesenden, dass dieses Sakrifizium nicht
allein sein Opfer, sondern auch das ihre und folglich auch das
deine ist. Wenn du nun dieses wohl er wogen hast, so sprich zu
Gott: Wie viel bin ich dir schuldig, o Herr? Bin ich dir
vielleicht hundert oder tausend oder zehntausend Talente
schuldig? Herr, ich erkenne meine große Schuld und bin erbötig,
dieselbe zu bezahlen. Aus meinen Verdiensten kann ich's nicht,
wohl aber aus den reichen Verdiensten deines Sohnes, welche auf
diesem Altare gegenwärtig und mir zu eigen geschenkt worden
sind. Diesen Schatz stelle ich dir vor, nimm du so viel daraus,
wie ich schuldig bin. Wenn diese Betrachtung mit lebendigem
Glauben geschieht, so bringt sie sehr großen Trost, weil wir in
der hl. Messe eine ganz gewisse und vollgenügende Zahlung für
unsere Sünden haben. Bis hierher Sanchez.
5. Nun wollen wir sehen, wie groß die Kraft der hl. Messe ist,
damit wir desto größeres Vertrauen zu derselben fassen. Die
Gottesgelehrten schreiben und lehren, dass die hl. Messe die
Nachlassung der zeitlichen Strafen ex opere operato verschaffe,
nämlich aus dem großen
Werke, das Christus hier auf der Erde besonders durch sein
Leiden und seinen Tod zu unserer Erlösung vollbracht und wodurch
er unendliche Verdienste gesammelt hat. Ferner bedeutet dieser
Ausdruck, dass die hl. Messe diese Kraft nicht wegen der
Frömmigkeit des Priesters, sondern aus sich selbst hat. Dasselbe
ist z. B. auch bei der hl. Taufe zu sehen, wo das Kind von einem
guten Priester nicht besser und von einem weniger guten nicht
schlechter getauft wird, wenn es nur richtig geschieht.
6. Aus dieser einhelligen Meinung und Lehre der Gottesgelehrten
erwächst allen armen Sündern ein herzlicher Trost, indem sie
versichert werden, dass ihnen jedesmal, wenn sie bei der hl.
Messe sind, unfehlbar ein Teil der noch übrig Strafen
nachgelassen wird. Nicht allein, wenn sie die hl. Messe ganz
andächtig mitbeten, sondern, wenn sie nur ehrerbietig
gegenwärtig sind und dem Priester zuschauen. Denn diese
Nachlassung entspringt nicht ihrem Mitwirken, sondern hat ihre
Quelle in den Verdiensten Christi, wovon Marchantius sagt,
Christus habe gewollt und verordnet, dass einem jeden, welcher
andächtig bei der hl. Messe zugegen ist, eine besondere
Genugtuung und Nachlassung der Strafen zugeeignet werde. Nun
mache den Schluss wie viel Strafen derjenige abbüßt, welcher
dieselbe mit möglichster
Andacht hört und sie
zugleich mit dem Priester dem allerhöchsten Gott herzlich
aufopfert.
7. Wenn du nun fragst, woher doch solche reiche Verdienste zur
Bezahlung aller Schulden kommen, so gebe ich dir zur Antwort:
aus der Zueignung der Verdienste Christi. Marchantius bezeugt das mit den
Worten: "Die hl. Messe ist eine kräftige Zueignung der
Verdienste Christi, ist eine Eröffnung seines reichen Schatzes,
damit wir die himmlischen Güter daraus entnehmen und alle unsere
Schulden übergenug damit bezahlen mögen." In der Tat teilt
Christus seine Verdienste in der hl. Messe reichlich aus und
gibt jedem der ohne Todsünde bei derselben zugegen ist, einen
guten Teil davon.
8. Um dies recht zu verstehen, sollst du wissen, dass Christus
in seinem hl. Leben und Leiden, vorzüglich am hl. Kreuze, einen
so reichen Schatz von Verdiensten erworben hat, dass, wenn er
ihn auch unter alle gewesenen, jetzigen und zukünftigen Sünder
und Sünderinnen austeilen und jedem so viel geben wollte, als
zur richtigen Zahlung seiner Schulden und Strafen nötig wäre, er
eines jeden Schulden überreichlich bezahlen könnte und doch noch
für unzählbare Welten genug übrig behielte. Von diesem reichen
Schatz teilt Christus oft aus, nämlich wie wir getauft wurden,
wenn wir wahre Reue erwecken, wenn wir beichten, wenn wir
kommunizieren und wenn wir gute Werke verrichten. Zu besonders
reichlicher Austeilung dieses Schatzes lässt sich Christus
bestimmen durch Anhörung und Aufopferung der hl. Messe.
9. Du kannst dir das so vorstellen, als wenn Christus bei der
hl. Messe an jeden einzelnen heranträte und ihm ein Stück
himmlischen Goldes in seine Hände gäbe, als freigebiges Geschenk
zur Vergeltung des Messehörens. Von dieser Beschenkung ist
keiner ausgeschlossen, als wer sich im Stande der Todsünde
befindet, und wer bei der Messe nur schwätzt, lacht, vorwitzig
umhersieht, andere im Gebete stört und freiwillig schläft. Alle
anderen bekommen etwas von diesem Schatz, wenn auch nicht gleich
viel, sondern je mehr oder weniger andächtig einer ist, desto
mehr oder weniger bekommt er auch von diesem himmlischen Gold.
Dies kann und soll er gut anlegen, Gott dem Vater aufopfern,
seine Schulden damit bezahlen, Tugenden einkaufen, die
heiligmachende Gnade vermehren und seine künftige Seligkeit
vergrößern. Dies sollen alle armen Sünder und Sünderinnen wohl
beachten; wenn sie in eine Sünde gefallen sind, so sollen sie
zur Kirche eilen, die hl. Messe mit Andacht hören und dies Gott
zur Verzeihung ihrer Sünden, zur Zahlung ihrer Strafen und
Besserung ihres Lebens aufopfern, weil sie ja das beste Mittel
ist, um Verzeihung zu erlangen, die verschuldeten Strafen
abzubüßen und vor dem Rückfall in die Sünden bewahrt zu werden.
Wie viele Strafen man durch eine Messe abbüßen kann.
10. Wenn du den vorigen Teil dieses Kapitels aufmerksam gelesen
hast, so wird dir ohne Zweifel der Wunsch gekommen sein, zu
wissen, wie viele Strafen für deine Sünden du durch eine hl.
Messe abbüßen könnest. Auf der einen Seite kommt dabei in
Betracht wie viel wert eine hl. Messe ist, auf der anderen
Seite, wie viel von diesem Werte du für dich bekommst. Dass der
Wert der hl. Messe
unendlich groß sei, folgt aus der unendlichen Würde der
göttlichen Person Christi, der bei der hl. Messe der eigentliche
Opfernde ist; ebenso aus dem Werte der Opfergabe. Jede hl. Messe
hat denselben Wert wie die Einsetzungsmesse Christi beim letzten
Abendmahl. Es waren sogar alle Werke Christi, die er auf Erden
verrichtet hat, von unendlichem Wert wegen der unendlichen
Würdigkeit seiner göttlichen Person, woraus folgt, dass das
Messopfer auch unendlichen Wertes sei.
Aber keinem wird dieser
Wert in unendlicher Weise zugeeignet, sonst könnte man mit
einer einzigen hl. Messe alle seine ungeheuren Schulden auf
einmal abzahlen und brauchte hinfür keine Buße mehr zu tun, was
gegen die katholische Lehre ist. Das aber ist gewiss, dass die
hl. Messe wegen ihres unendlichen Wertes sehr viele Strafen
abbüßen kann; ja, wenn der Mensch mit ungemeiner Andacht eine
Messe hörte, so könnte ihm dieselbe alle noch übrigen Schulden
und Strafen auf einmal auslöschen. 0 wie sehr sind wir Christen
Gott verpflichtet, dass er uns ein so kostbares Opfer geschenkt
und ein so leichtes Mittel zur Bezahlung unserer schweren
Schulden an die Hand gegeben hat, durch welches wir weit mehr
abbüßen können als durch viele schwere Bußwerke.
11. Das bezeugt der hl. Laurentius Justiniani mit folgenden,
sehr denkwürdigen Worten: "Leget auf eine Goldwaage alle guten
Werke, also alles Beten, Wachen, Fasten Bußkleider, Geisseln,
Abtötungen, Wallfahrten und was es sonst noch gibt, alles dieses
legt auf die eine Schale der Waage. Auf die andere aber leget
nur ein einziges Messopfer, so werdet ihr finden, dass jene
vielen niemals dieses eine aufwiegen werden. Denn in der hl.
Messe wird derjenige geopfert, in welchem die ganze Fülle der
Gottheit leibhaftig wohnt (Kol. 2, 9), welcher ferner einen
unvergleichlichen Schatz der Verdienste umschließt und dessen
Fürsprache allmächtig ist."
12. Hast du gehört, was dieser heilige Patriarch von Venedig von
dem Werte einer einzigen hl. Messe sagt? Hast du seine Meinung
auch gut verstanden? Wenn du sie vielleicht vor Verwunderung
nicht glauben kannst, so will ich sie dir näher erklären. Wenn
du alle genannten Bußwerke verrichtet hättest und sie deinem
Gott mit größter Liebe und Andacht aufopfertest, so, würdest du
ihm gewiss eine sehr große und angenehme Gabe verehren und eine
außerordentliche Freude verursachen. Wenn nun aber ein anderer
nur eine einzige Messe andächtig hörte und sie von ganzem Herzen
Gott aufopferte, so würde dieser ihm eine unschätzbar
köstlichere Gabe verehren und einen unvergleichlich größeren
Wohlgefallen erweisen, als du mit deinen Bußwerken getan. Denn
du hättest nur lauter menschliche Werke geopfert, der andere
aber verehrt Gott lauter göttliche Gaben, nämlich die Verdienste
Christi, die Wunden Christi, den Leib Christi, das Blut Christi,
das Leiden Christi und die Tugenden Christi, ja den eingeborenen
Sohn Gottes selbst, nicht in der Majestät, in welcher er im
Himmel thront, sondern in der Demut, in welcher er auf dem Altar
unter der Gestalt einer kleinen Hostie liegt, als das
unschuldige Lamm, welches wiederum geschlachtet wird, wodurch er
dem Vater unendliche Ehre, Lob, Dienst und Wohlgefallen erweist.
Nun lege auf die eine Waagschale deine Bußwerke, auf die andere
die gehörte Messe, so wirst du sehen, wie viel die hl. Messe
deine vielen Bußwerke überwiegt. Nun mache auch den Schluss, wie
viele Sündenstrafen eine hl. Messe bezahlen kann. Alle diese
Bußwerke, im Stande der heiligmachenden Gnade verrichtet, können
doch sicher zeitlichen Strafen einer Todsünde bezahlen, so wird
bei andächtige Messe die von mehreren Todsünden abbüßen können.
13. Viel habe ich gesagt, aber ich muss noch Größeres sagen.
Pater Ludwig von Argentana schreibt: "Ich schätze zwar alle
Bußwerke, welche wir zur Verzeihung unserer Sünden verrichten,
sehr hoch; dennoch ist gewiss, wenn einer all sein Lebtag bei
Wasser und Brot fastete, wenn er alle Schätze der Welt den Arm
als Almosen austeilte, wenn er bis zum Ende der Welt in
andächtigem Gebete verharrte, so wären all diese Werke sehr groß
und von allen Menschen sehr hoch zu schätzen. Gleichwohl wenn
auf die Goldwaage der göttlichen Gerechtigkeit gelegt würden, so
würden sie durchaus nicht so schwer wiegen wie eine einzige hl.
Messe, in welcher das hochwürdigste Blut Christi geopfert wird.
Denn dieses Blut ist von unendlichem Werte, und keine
menschlichen Werke sind mit ihm zu vergleichen. Dennoch sind die
Bußwerke nicht überflüssig, sondern zur Besserung des Lebens und
zur Ausrottung der bösen Gewohnheiten sehr notwendig."
14. 'Wenn aber einer mit diesen Zeugnissen sich nicht begnügen
und weiter fragen will, wie viele Peinen des Fegefeuers durch
eine hl. Messe abgekürzt und ausgelöscht werden, so gebe ich zur
Antwort, dass Gott dies seiner Kirche nicht ausdrücklich
geoffenbart hat, gleichwie er auch nicht geoffenbart hat, wie
viele, wie schwere und wie lange Peinen er für eine lässliche
Sünde den Seelen auflegt. Lehrreich sind dafür aber folgende
Worte aus einer Offenbarung der hl. Magdalena von Pazzi: "Die
Kirche hat in früheren Zeiten für die schweren Sünden Bußen von
fünf oder sieben Jahren auferlegt." Jetzt aber ist die Bosheit
der Sünder so hoch gestiegen, dass sie die schweren Bußen nicht
mehr annehmen wollen. Deshalb können die alten Bußregeln nicht
mehr befolgt werden. "Aber dadurch", so sprach Christus, „ist
mir mein Recht nicht genommen worden"; was also nicht hier auf
der Erde abgebüßt ist, muss noch im Fegefeuer abgebüßt werden.
Hieraus wird klar, dass die armen Seelen wegen ihrer ungebüßten
Sünden bis zu vielen Jahren im Fegefeuer leiden müssen und
vieler hl. Messen zu ihrer Befreiung bedürftig sein können. Aber
die Messen, die wir selbst hören, sind mehr wert für uns als
die, welche nachher für uns gelesen werden. Wohl ein tröstlicher
und angenehmer Gedanke, welcher einen jeden zum fleißigen
Messehören billig sollte antreiben, wo nicht aus Liebe zu Gott,
dann wenigstens aus Liebe seiner selbst. Wenn du wegen eines
Verbrechens verurteilt worden wärest, dass du eine halbe Stunde
auf einem glühenden Rost solltest liegen müssen und dir die Wahl
gestellt würde, ob du lieber eine hl. Messe hören oder die halbe
Stunde die Qualen aushalten wolltest, würdest du nicht lieber
zwanzig, ja hundert Messen hören, damit du die furchtbare Marter
von dir abwenden möchtest? Nun ist es gewiss, dass du nach
deinem Tode nicht gleich gen Himmel fahren, sondern noch
reichlich lange Zeit die Qualen des Fegefeuers wirst aushalten
müssen. Imgleichen ist es auch gewiss dass du kein sicheres
Mittel hast, um dieser Qual zu entgehen, als eben das andächtige
Anhören der hl. Messe. Wie magst du denn so nachlässig sein und
manche liebe Messe so leichtsinnig versäumen, da du durch eine
jede hl. Messe so viel von deiner Fegefeuerspein abkürzen
kannst!
15. Hier möchte nun einer fragen: "Wenn das Hören der hl. Messe
so viele Strafen abbüßt, wie viele büßt dann eine Messe ab,
welche man lesen lässt?" Ich antworte: Wer zu seinen Lebzeiten
eine hl. Messe für sich lesen lässt, büßt noch viel mehr Strafen
ab, als wenn er sie nur hört. Denn die besonderen Früchte der
hl. Messe kommen dann ihm zu und werden ihm von Gott und dem
Priester zugeeignet. Wie viel Früchte das sind, hat Gott seiner
Kirche nicht geoffenbart. Aber beachte auch hier wieder die
Worte des gelehrten Marchantius: "Wer eine hl. Messe für sich
lesen lässt, bekommt viel mehr Nutzen davon, wenn er der Messe
beiwohnt, als wenn er sie nicht besucht. Denn wenn er auch den
Nutzen bekommt, den der Priester ihm zueignet, so doch nicht
dasjenige Verdienst, welches ihm daraus entspringt, dass
erselbst mitopfert.
16. Hier muss ich noch auf etwas aufmerksam machen, was weniger
bekannt ist. Wenn nämlich jemand eine hl. Messe bestellt in der
Meinung, einen Heiligen zu ehren, eine Bitte zu erlangen oder
ein Übel von sich abzuwenden, so heißt es meistens nur einfach:
Ich hätte gern eine Messe zu Ehren der Mutter Gotte oder ich
hätte gern eine für ein krankes Kind u. dgl.; man erwähnt aber
gar nicht und denkt auch nicht an den Genugtuungswert der hl.
Messe, wem man die Verdienste derselben zuwenden will. Wenn nun
der Priester auch nicht daran denkt und das Genugtuungsverdienst
der hl. Messe niemandem zuwendet, kommt dasselbe, wie zu
vermuten, in den Schatz der Kirche, es sei denn, dass Gott der
Herr, die Einfalt der Leute ansehend, ihn die Genugtuung
zueignet. Wenn du also eine hl. Messe zu Ehren eines Heiligen
oder für irgendeine Not lesen lässt, so denke allezeit daran,
dass du den Genugtuungswert der hl. Messe dir vorbehalten
willst. So hast du zweifachen Gewinn von einer solchen Messe: Du
ehrst den Heiligen, zu dessen Ehre du sie lesen lässt, und
bezahlst auch viel von den Strafen, die du für deine Sünden zu
leiden schuldig bist. Ebenso erlangst du deine Bitte, wenn es
gut für dich ist, und bezahlst auch noch einen großen Teil
deiner Schulden. Das möge ein jeder wohl in acht nehmen, weil
viel daran gelegen ist.