Die Erklärung des Heiligen Messopfers
von Pater Martin von Cochem

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Katechese

Die hl. Messe ist eine Vermehrung der Gnade und Glorie

20. Kapitel

Die hl. Messe ist eine Vermehrung der Gnade und Glorie.

 

1. Von der Gnade.

1. Der göttliche Heiland hat einmal gesagt: "Das Himmelreich ist gleich einem Kaufmann, der gute Perlen sucht. Hat er eine kostbare Perle gefunden, so geht er hin, verkauft alles, was er hat, und kauft sie" (Matth. 13,45f.). Die allerkostbarsten Perlen werden dir vom himmlischen Vater durch seine heilige Kirche täglich zum Kaufe angeboten. Was sind denn das für Perlen? Es sind die Gnade und die Glorie, die göttliche Gnade als Ausstattung deiner Seele hier auf Erden und die Glorie im Himmel. Das sind kostbare und teure Perlen; woher will man Geld genug bekommen, um dieselben zu kaufen? Wegen des Geldes brauchst du dich nicht zu beunruhigen, denn so kostbar diese Gaben auch sind, so sind sie dennoch für dich sehr wohlfeil, weil Christus den übergroßen Preis seines kostbaren Blutes dafür schon bezahlt hat. Du bekommst sie nunmehr umsonst, wie schon Isaias geweissagt hat: "Die ihr kein Geld habt, eilet, kaufet und esset, kommet und kaufet ohne Geld und ganz umsonst" (Js. 55,1). Auch der Psalmist sagt: "Gnade und Glorie wird der Herr geben" (Ps. 83,12). Zwar gibt Gott beides gern, aber selten reichlicher als durch die hl. Messe. Das will ich in diesem Kapitel beweisen, zuvor aber erklären, was die Gnade ist.

2. Unter der göttlichen Gnade verstehen wir die innere, übernatürliche Hilfe, welche uns Gott zur Erlangung der ewigen Seligkeit verleiht. Wenn diese Hilfe nur bei einem einzelnen Werke mithelfen soll und demgemäß vorübergeht, so nennen wir sie Gnade des Beistandes. Wird die Hilfe aber zu einer Ausstattung unserer Seele, die ihr ein ganz neues Leben gibt, so nennen wir sie die heiligmachende Gnade, und diese ist's, von der im folgenden hauptsächlich gesprochen wird. Sie ist eine übernatürliche Gabe, welche den Menschen gerecht, Gott wohlgefällig und des ewigen Lebens würdig macht. Diese Gnade ist der Seele eingegossen und bleibt immer in ihr, sofern sie nicht durch eine Todsünde daraus vertrieben wird. Eingegossen wird die heiligmachende Gnade der Seele durch die Sakramente der Taufe und der Buße; dadurch kommt der Mensch aus dem Stande der Todsünde in den Gnadenstand und wird aus einem Sünder ein Gerechter. Die Gnade kann nun aber immer weiter vermehrt werden, indem der Gerechtfertigte sich durch gute Werke immer höhere Stufen der Gnade von Gott verdient.

3. Wie kostbar die Gnade ist, lehrt der hl. Thomas von Aquin mit den Worten: "Das Gut einer einzigen Gnade ist grösser als das natürlich Gute der ganzen Welt" (Sa theol.1lli 113, 9ad 2). Wenn ein Engel abschätzen sollte, was die Gnade Gottes in Wahrheit wert sei, so müsste er bekennen, dass das geringste Tröpflein der Gnade mehr wiegt als alles Gold und Geld und Edelgestein und sonstiger Reichtum der ganzen Welt. Das kann man zwar nicht begreifen, ist aber doch die volle Wahrheit. Denn wenn ein Mensch nur ein Tröpflein der heiligmachenden Gnade hat, so ist er ein Freund Gottes wenn er in dieser Gnade stirbt, so gibt ihm Gott wegen derselben viele Reichtümer des Himmels, ja, er gibt sich selbst ihm zum Lohn, wie er zu Abraham gesagt hat: "Ich bin dein Schutz und dein übergroßer Lohn" (Gen. 15,1). Weil nun Gott das allerhöchste Gut ist, unendlichmal mehr wert als alles im Himmel und auf Erden, so muss ja folgen, dass der Mensch, wenn er für das geringste Maß der Gnade Gott selbst zum Lohn bekommt, vielhunderttausendmal mehr verdient hat als die ganze Welt mit all ihren Schätzen.

4. Durch jedes gute Werk nun, das der Mensch im Stande der Gnade verrichtet, wird dieselbe vermehrt, und so verdient der Gerechte je länger, je mehr Gnade, nicht allein durch die großen guten Werke, sondern durch jedes, auch das kleinste, also durch jeden guten Gedanken durch eine demütige Kniebeugung durch jedes heilige Wort, durch jedes Schlussgebetlein —jeder Gedanke, jedes Wort und Werk dieser Art vermehren die Gnade Gottes im Menschen, für jedes bekommt er Gnade zur bisherigen hinzu und größeren Lohn im Himmel nach dem Zeugnis Christi: "Wer einem von diesen Geringsten nur einen Becher kalten Wassers zu trinken reicht im Namen eines Jüngers, wahrlich ich sage euch, er wird seinen Lohn nicht verlieren" (Matth. 10,42). Er bekommt nämlich größere Ehre und Freude im Himmel, Gott teilt sich ihm überflüssiger mit, gibt sich ihm besser zu erkennen, herzlicher zu lieben und vollkommener zu genießen. Weil denn die Gnade Gottes so leicht zu verdienen ist und weil man einen so großen Lohn für jedes Tröpflein derselben bekommt, wer wollte denn nicht gern Gutes tun und nicht von ganzem Herzen Gott dienen?

5. Nun merke, was für Wunderdinge die Gnade in der Seele wirkt. Erstens bringt sie ihr eine so unaussprechliche Schönheit, dass die Schönheit der Sonne, der Sterne, der Blumen und der Menschen mit ihr nicht zu vergleichen ist. Wenn du eine mit der Gnade gezierte Seele sehen könntest, so würdest du bekennen, dass alle natürliche Schönheit dagegen als Hässlichkeit erscheint. Ja, sie ist so groß, dass Gott selbst sich daran erfreut und lieber Himmel und Erde zugrunde gehen lassen möchte, als dass ihm diese Schönheit nur einen Augenblick durch eine Todsünde entzogen und vernichtet wird. Das alles bewirkt schon die kleinste Menge an Gnade; wer aber mehr Gnade hat, der hat auch mehr und größere Schönheit.

6. Zweites bringt die Gnade der Seele die Freundschaft Gottes und bewirkt, dass Gott und die Seele ganz vertraut miteinander werden; der Heilige Geist, dem wir die Mitteilung der Gnade besonders zuschreiben, will "der süße Gast" unserer Seele sein. Ja, selbst wenn Gott bei der Seele keine vollkommene Gegenliebe findet, so weicht er dennoch nicht sofort aus ihr, sondern erst dann, wenn sie ihn durch eine Todsünde gleichsam mit Gewalt von sich stößt. Alsdann scheidet er von ihr mit größtem Widerwillen und empfindet diese Untreue viel tiefer, als ein Mensch begreifen kann. Dennoch verlässt er sie nicht ganz, sondern bleibt vor der Türe stehen und klopft immerdar an, gleichsam bittend, dass sie ihn wieder einlassen wolle, wie er selbst sagt: "Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hört und die Türe mir auftut, zu dem will ich eingehn" (Offbg. 3, 20).

7. Infolge dieser Freundschaft erzeigt sich Gott überaus freigebig gegen die Seele und teilt ihr reichlich seine Güter mit. Er gibt ihr Tugenden, Andacht, Tröstungen, Lust zum Guten und innere Freuden. Er beschützt und stärkt sie, er regiert und leitet sie, ja er schenkt sich ihr selbst und vereinigt sich ganz mit ihr, wie der hl. Petrus sagt: "Er hat uns die größten und köstlichsten Verheißungen geschenkt, so dass wir dadurch in die Gemeinschaft mit der göttlichen Natur kommen" (2.Petr. 1, 4). Sind das nicht kostbare Geschenke und reiche Gaben? Wenn wir die Gunst und Gnade grober Herren hoch achten und eifrig suchen, wieviel mehr sollen wir dann die Gunst und Gnade Gottes, welche uns so sehr viel wert ist, eifrig suchen und begehren!

8. Endlich wird die Seele durch Gottes Gnade so hoch geadelt, dass sie nicht allein zum Freunde sondern sogar zum Kinde Gottes wird. Wenn der Kaiser ein Bettelkind zu seinem Kinde annähme, was für eine Ehre wäre das für dasselbe! Wie vieltausendmal größere Ehre wird dann aber der Seele zuteil, wenn sie von dem glorwürdigsten Gott zu seinem Kinde angenommen wird! Hierüber ganz verwundert, ruft der hl. Johannes aus: "Sehet, was für eine Liebe uns der Vater erwiesen hat, dass wir Gottes Kinder genannt werden und es sind" (1. Joh. 3, l). Und der hl. Paulus fügt hinzu: "Wenn aber Kinder, so sind wir auch Erben" (Röm. 8, 17). 0, wohl ein reiches Erbteil, Erben Gottes zu sein! Sowie es unmöglich ist, zu begreifen, was für ein großer Herr der unendliche Gott ist, so ist es auch unmöglich, zu begreifen, was für eine gewaltige Ehre und Gnade es ist, ein Kind und Erbe Gottes zu sein.

9. Aus dieser kurzen Beschreibung ersiehst du einigermaßen, was für ein edles Ding die göttliche Gnade ist und wie sie es wohl verdient, dass du mit allen Kräften nach ihr streben sollest. Die erste Gnade hat dir Gott mitgeteilt durch die Taufe. Solltest du sie durch eine Todsünde verloren haben, so kannst und musst du sie dir wieder erringen durch Reue und Buße also durch eine gute Beichte. Die Vermehrung der Gnade aber erhältst du durch jedes gute Werk. Je vortrefflicher nun das Werk ist und je vollkommener es verrichtet wird, desto mehr und größere Gnaden erwirbst du. Jetzt mache den Schluss, wie viel Gnaden du durch andächtiges Hören der hl. Messe verdienen kannst, weil sie eins von den allerbesten Werken ist, wie du schon gelesen hast.

10. Wie viel die Priester beim Lesen der hl. Messe an Gnade verdienen können, kann man daraus abnehmen, dass jeder Priester viele Zeremonien verrichten muss, die von den Rubriken vorgeschrieben sind. Weil er dies aus Gehorsam tut, so hat er umso größeres Verdienst davon. Wenn er nun neben diesen Zeremonien alle Worte deutlich ausspricht und die hl. Messe aufmerksam, andächtig und ohne Eile liest, so wächst sein Verdienst gar sehr. Wenn er dagegen auf die Zeremonien nicht recht achtete und nur geschwind fertig zu werden dächte, dann würde er nicht allein große Verdienste verscherzen, sondern auch viele lässliche Sünden begehen.

11. Ferner verdienen auch Vermehrung der Gnade und Glorie diejenigen, welche eine hl. Messe lesen lassen, sei es für andere oder für sich selbst. Denn da sie die Ursache sind, dass die hl. Messe gelesen wird, so werden sie auch der Kraft derselben teilhaftig, und wenn sie im Stande der Gnade sind, so erwerben sie auch Vermehrung dieser Gnade.

12. Drittens verdienen sich diejenigen, die der hl. Messe beiwohnen, eine große Vermehrung der Gnade und Glorie wegen ihrer Andacht und der vielfaltigen Tugenden; die sie dabei üben. Denn erstens erwecken sie so oft Reu und Leid, sooft sie demütig an die Brust klopfen. Das muss aber nicht bloß so obenhin, sondern mit Ernst geschehen. Weiterhin üben sie vortrefflich die Tugend des Glaubens, indem sie fest für wahr halten, dass Christus wahrhaftig in der hl. Hostie gegenwärtig ist und sich auf dem Altare seinem Vater für die armen Sünder aufopfert. Je unbegreiflicher dieses Geheimnis ist, umso verdienstlicher ist die Übung des Glaubens an dasselbe. Sooft du also die hl. Hostie ansiehest oder dir vorstellst, dass dein lieber Jesus auf dem Altare ist, so oft übest du eine große Tugend und verdienst dir eine reiche Vermehrung der heiligmachenden Gnade, und nach deinem Tode kommst du dafür mehrere Stufen höher in den Himmel.

13. Neben dem Glauben übest du auch die Tugend der Anbetung, u.zw. nicht nur einmal, sondern sooft du dich niederbeugst und deinem Gotte innerlich oder äußerlich deine Ehrfurcht bezeigst. Wenn das auch deine Schuldigkeit ist, so gefällt es doch Christus überaus sehr, und er belohnt es dir jedesmal mit einer neuen Gnade. Wenn du hei der Wandlung die heiligen Gestalten andächtig anschaust, so übest du die Tugend einer besonders verdienstlichen Andacht. Und wenn du den Leib und das Blut Christi, die darunter verborgen sind, Gott aufopferst, so erweist du ihm die höchste Ehre und den größten Dienst. Ja, diese Gabe ist so groß, dass Gott dadurch den Menschen verpflichtet wird. Und sooft du bei der hl. Messe sprichst: "0 mein Gott, ich opfere dir deinen lieben Sohn auf; ich opfere dir sein bitteres Leiden oder seinen schmerzlichen Tod", so oft übest du die Tugend der Freigebigkeit gegen Gott und verdienst dir durch jede Aufopferung eine neue Gnade und neuen Lohn. Wenn du sprichst: "0 Herr, ich opfere dir diese hl. Messe auf für alle Lebendigen und Abgestorbenen, besonders für diejenigen, für die ich zu beten verpflichtet bin" so übst du die Tugend der Nächstenliebe. Wenn du geistiger Weise kommunizierst, so wirst du auch geistiger Weise gespeist und gestärkt. Noch viel größeres Verdienst aber hast du, wenn du bei der hl. Messe auch wirklich kommunizierst. Weil schließlich die hl. Messe von den Nichtkatholiken verachtet und verlacht wird, deswegen gefällt es Gott dem Herrn über alle Maßen, dass wir sie umso andächtiger und fleißiger hören und dadurch die ihr zugefügte Schmach wieder gutmachen. Da kannst du auf dich anwenden das Wort des göttlichen Heilandes: "Wer mich vor den Menschen bekennen wird, den will auch ich vor meinem Vater bekennen, der im Himmel ist" (Matth. 10, 32).

14. Wegen all dieser Tugenden belohnt Gott den andächtigen Besuch der hl. Messe mit reichlichen Gnaden, wie die heiligen Väter ausdrücklich bekennen. Denn der hl. Cyrillus sagt: "Die geistlichen Gaben werden denen, die der Messe andächtig beiwohnen, in reichem Maße ausgeteilt." Der hl. Cyprian: "Dies übernatürliche Brot und der geweihte Kelch gereichen dem ganzen Menschen zu Leben und Heil." Papst Innocenz III.: "Durch die Kraft des Messopfers werden alle Tugenden in uns vermehrt und die Früchte aller Gnaden reichlich mitgeteilt." "Deswegen sollten", wie der hl. Maximus sagt, "die Christen die hl. Messe nie versäumen, wegen der Gnaden des Heiligen Geistes, welche den Anwesenden dargeboten werden."

15. Diesen Zeugnissen muss ich noch beifügen, was Osorius schreibt. Wenn ein Vater seinem Sohne zehntausend Talente Goldes gäbe, dass er damit handeln solle, würde der nicht bei nur einigem Fleiß in kurzer Zeit ein sehr reicher Mann sein? Nun beachte, was für große Reichtümer dein himmlischer Vater dir bei der hl. Messe gibt, damit du gleich seiest "dem Kaufmann, der gute Perlen sucht." Gott Vater gibt dir bei der Messe seinen eingeborenen Sohn, "in welchem die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt" und "in welchem alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen sind (Col. 2,9 und 3). "Wenn er denn seines Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat, wie sollte er uns nicht alles mit ihm geschenkt haben?" (Röm. 8, 32.) Der himmlische Vater gibt dir also bei der hl. Messe seinen Sohn zugleich mit allen seinen Verdiensten und Genugtuungen. Er gibt dir dessen Fleisch und Blut, dessen Leib und Seele, all seine Schätze und Reichtümer. Siehe, wie viele und wie große Gnaden du täglich bei der hl. Messe empfängst, und wie leicht du bei Anwendung von auch nur ganz wenigem Fleiß reich werden kannst. Denn sooft du bei der hl. Messe den Leib und das Blut, die Verdienste und Reichtümer Christi dem himmlischen Vater aufopferst, so oft zählst du ihm den Preis dar, für den du dir himmlische Güter einkaufst.

16. Wenn du nun zu all diesem noch die siebenundsiebzig Gnaden hinzuzählst, die im dritten Kapitel beschrieben stehen, musst du dann nicht bekennen, dass es nichts weiter in der Welt gibt, wodurch man so viele Gnaden und Verdienste erwerben kann wie eben die hl. Messe?

 

2. Die Himmlische Herrlichkeit.

17. 0 was für ein edles Ding ist die himmlische Herrlichkeit und Seligkeit, zu deren Genuss wir erschaffen wurden, nach der wir so herzlich seufzen und so inbrünstig verlangen, deren kleinstes Maß so groß ist, dass, wie St. Paulus sagt, "kein Auge es gesehen und kein Ohr es gehört und keines Menschen Herz es empfunden hat." Nun sagt das Konzil von Trient, dass der Mensch im Stande der Gnade durch das Verdienst Jesu Christi, dessen lebendiges Glied er ist, sich durch seine guten Werke das ewige Leben und auch die Vermehrung der ewigen Herrlichkeit und Glorie verdiene (Sitzg. 6, Kan. 32), aber es sagt nicht, wie viel Gnade und Glorie er sich verdient. Dafür sagt uns jedoch Christus selbst: Ein gutes, eingedrücktes, gerütteltes und aufgehäuftes Maß wird man in euren Schoss geben" (Luk. 6,38). Das sind nachdrucksvolle Worte, in welchen er uns zeigen will, dass der Lohn nicht gering, sondern überfließend groß sein wird.

18. Gewiss ist es, dass jeder Mensch durch jede hl. Messe, die er mit auch nur einiger Andacht hört, jedesmal eine neue Stufe der himmlischen Glorie verdient, und je mehr Andacht er hat, desto mehr Stufen ersteigt er. Je höher nun einer in den Himmel kommt, desto näher kommt er zu Gott, desto klarer erkennt er Gott, desto herzlicher liebt er Gott und desto vollkommener genießt er Gott. Er wird auch bei jeder Stufe schöner, glänzender, glorwürdiger und bei allen Heiligen angesehener. Sooft du eine hl. Messe hörst, so wird dir das im Himmel aufgezeichnet und eine höhere Stufe der Glorie bestimmt. Diese verlierst du nie, als allein, wenn du eine Todsünde begehst; wenn du aber wieder Reue und Leid erweckst und beichtest, so bekommst du die verlorene Glorie auf derselben Stufe wieder. Wenn du nun dein Leben hindurch täglich eine hl. Messe gehört hast, o wie viele und hohe Stufen der Glorie sind dir dann im Himmel bestimmt! Was für ein großer Fürst wirst du im Himmel sein! Wie viele Reichtümer und Freuden wirst du haben! Wenn du aber an einem Tage bisweilen zwei oder drei Messen gehört hast, wird dir deine Glorie verdoppelt und vervielfacht.

19. Höre, wie wunderbar der hl. Paulus darüber schreibt: "Unsere gegenwärtige Trübsal, die augenblicklich und leicht ist, bewirkt eine überschwängliche, alles überwiegende Herrlichkeit in uns" (2. Kor. 4, 17). Beherzige doch diese Worte und erwäge ihren Sinn, denn sie enthalten ein schönes und unaussprechliches Geheimnis: für eine leichte und nur einen Augenblick dauernde Trübsal sollen wir eine über alle Maßen große Herrlichkeit im Himmel bekommen! Wenn denn der hl. Paulus so gewaltige Vergeltung einer leichten und kurzen Trübsal versprechen durfte, so darf ich dies mit Fug und Recht auch dem Besuch der hl. Messe zueignen. Denn ihr Besuch ist ja oft auch mit einer leichten Trübsal oder Abtötung verbunden; wenn du einen weiten Weg zur Kirche hast; wenn der Weg schmutzig, und schlüpfrig ist; wenn du im Winter in der Kirche frieren musst; wenn du wegen der hl. Messe etwas früher aufstehen musst; wenn dir die hl. Messe etwas zu lang wird; wenn du eine notwendige Arbeit ihretwegen zurücksetzest; wenn du durch sie einen kleinen Gewinn oder Verdienst verscherzest, oder auch wenn du bei der hl. Messe keine rechte Andacht hast. Diese und derartige Beschwerlichkeiten sind eine leichte und kurze Trübsal, welche du nicht wegen eines zeitlichen Dinges, sondern wegen des Gottesdienstes, wegen des allerhöchsten guten Werkes leidest. Daraus folgt denn mit vollem Recht, dass diese leichte und kurze Trübsal und Beschwerlichkeit eine überaus große Herrlichkeit im Himmel erwirkt und eine jede dich eine Stufe der Glorie höher erhebt.

20. Etwas Weniges von dieser großen Glorie will ich in einem kurzen Beispiel zeigen, welches ein frommer Franziskanerpater in einer seiner Predigten einflicht. Ein Bauersmann hatte sein Lebtag die hl. Messe geliebt, u. zw. so sehr, dass er, auch wenn er auf dem Felde oder im Walde war und zur Messe läuten hörte, Pflug und Ochsen stehen ließ und der Kirche zueilte. Diesen heiligen Brauch hatte er in seiner Jugend angefangen und bis in sein graues Alter eifrig fortgeführt. Da er nun einmal vom Acker zur Kirche ging und ihm der Weg wegen des schlechten Wetters sehr schwer fiel, da sprach er bei sich selbst: "Ich bin nun ein alter Mann und kann nicht mehr so laufen wie in meiner Jugend; ich glaube kaum, dass es Gott missfallen würde, wenn ich nicht mehr so weit vom Felde zur Kirche ginge. Wenn es zur Messe läutet und ich bin zu Hause, dann will ich hingehen; wenn ich aber auf dem Felde bin, will ich in Gottes Namen mit meiner Arbeit fortfahren." Als er diesen Gedanken gefasst hatte, hörte er jemand ihm nachkommen, und wie er sich umschaute, sah er einen Engel mit einem Schoss voll blühender Rosen. Dieser Engel war so schön, dass der Bauersmann vor ihm auf die Knie fallen wollte, aber jener sagte: "Knie nicht vor mir nieder, ich bin dein Schutzengel." Der Mann fragte: "0 lieber Engel, was bedeutet es denn, dass du mich würdigst, dich anzuschauen?" worauf der Engel antwortete: "Gott hat mich gesandt, dir nachzugehn, und das habe ich jedesmal getan, wenn du vom Feld zur Kirche gegangen bist." "Warum denn das?" fragte der Bauer weiter. Der Engel sagte: "So viele Schritte du zur Kirche getan hast, so viele Rosen sind unter deinen Fußstapfen hervorgesprossen. Diese habe ich allezeit aufgehoben und zum Himmel emporgetragen." Alsdann öffnete er seinen Schoss, zeigte ihm die Rosen und sprach: "Siehe, das sind die Rosen, die ich heute unter deinen Füssen aufgehoben habe. Darum rate ich dir: tue das nicht, was du bei dir beschlossen hast, sondern fahre fort in deinem Kirchengehen, wie du es von Jugend auf getan hast. Wenn du in diesem löblichen Werke bis an dein Ende verharrst, so will ich bei deinem Tode dein Haupt mit Rosen krönen und deinen himmlischen Thron mit Rosen zieren zu deiner ewigen Ehre und Glorie." Danach verschwand der Engel, der Bauer küsste seine Fußstapfen und dankte Gott für diese freudige Erscheinung. Er konnte sie nie mehr aus seinem Sinn bringen und war durch die Schönheit des Engels und den süßen Duft der Rosen so entzückt über die himmlischen Dinge, dass ihm alles auf Erden zuwider war. Er starb nicht lange danach, mehr aus Begierde nach den Freuden des Himmels als infolge von Schmerzen und Krankheit.

21. Siehe, diesem frommen Bauersmann sind alle seine Schritte, die er zur hl. Messe getan, genau aufgezeichnet und mit diesen himmlischen und unverwelklichen Rosen belohnt worden, die auf ewig für ihn eine wunderbare Zierde bleiben werden. Wenn nun schon der Weg zur Messe ihm so reichlich belohnt worden ist, wie dann wohl erst die hl. Messe selbst! Das wissen wir nicht und können es auch nicht begreifen; hoffentlich werden wir es aber einmal im Himmel sehen und auch selbst reichen Lohn für fleißigen Besuch der hl. Messe erlangen.

 

3. Von der hl. Kommunion.

22. Am meisten wird die Gnade bei der hl. Messe vermehrt, wenn wir uns aufs innigste mit dem göttlichen Heiland vereinigen durch die hl. Kommunion. Nun spricht man von zwei Arten dieser Vereinigung, nämlich der wirklichen sakramentalen und der nur geistigen Kommunion. Es ist ganz selbstverständlich, dass die wirkliche Kommunion hoch über der geistigen steht, denn es ist etwas ganz anderes, wenn der Sohn Gottes in der Weise, wie er es selbst angeordnet hat, bei uns einkehrt und nunmehr - "er in uns und wir in ihm" - sind, als wenn wir wohl seine Gnaden und Gaben wünschen, aber ihn selbst nicht bei uns einlassen, trotzdem wir es könnten. Darum haben in den ersten christlichen Zeiten möglichst alle Anwesenden an der hl. Kommunion wirklich teilgenommen, und durch den heiligen Vater Papst Pius X. sind wir genugsam aufgefordert, diese schöne und heilige Sitte wieder aufleben zu lassen. Auch das neue kirchliche Gesetzbuch fordert dazu auf mit den Worten (Kan. 863): "Die Gläubigen sollen angeregt werden, dass sie oft, ja täglich mit der eucharistischen Speise sich erquicken lassen nach den Regeln, die in den Dekreten des Apostolischen Stuhles mitgeteilt sind, und dass diejenigen, welche der hl. Messe beiwohnen, nicht bloß geistiger Weise, sondern in entsprechender Disposition auch durch den wirklichen Empfang der hl. Eucharistie kommunizieren möchten." Das Gesetzbuch braucht hier dieselben Worte, mit denen bereits das Konzil von Trient (Sitzg. 22, Kap. 6) den gleichen Wunsch ausgedrückt hatte, wobei als Grund beigefügt war: "damit die Frucht dieses heiligsten Opfers ihnen desto reichlicher zukommen möge." Derselbe Gedanke tritt auch bei der hl. Messe hervor in vielen Gebeten, die aus solchen Zeiten stammen, wo alle oder doch die meisten Teilnehmer der hl. Messe auch an der hl. Kommunion teilnahmen, und die nach den Worten des gelehrten Kardinals Bona keineswegs geändert, sondern deswegen beibehalten sind, damit wir wissen, wie es früher gewesen ist, und durch den Wortlaut der Gebete zu dem früheren Eifer angeregt werden (Gihr 710, Note 2). Eins von diesen Gebeten spricht der Priester gleich nach der Wandlung: "Demütig bitten wir dich, allmächtiger Gott, lass diese Opfergaben durch die Hände deines heiligen Engels; emporgetragen werden auf deinen hehren Altar vor das Angesicht deiner göttlichen Majestät, damit alle, die wir in Teilnahme an diesem Altar den hochheiligen Leib und das hochheilige Blut deines Sohnes genießen, die Fülle alles himmlischen Segens und aller Gnade empfangen mögen."

23. Es ist aber auch sehr häufig der Fall, dass jemand nicht wirklich an der Kommunion teilnehmen kann; dann soll er wenigstens geistiger Weise kommunizieren, was man auch dann nicht unterlässt, wenn man an einem Tage mehrere hl. Messen hört und in einer schon kommuniziert hat. Die geistige Kommunion ist nichts anderes als das innige Verlangen, Christum zu empfangen und sich aufs innigste mit ihm zu vereinigen. Wie Christus in seinem irdischen Leben nicht bloß durch seine wirkliche Gegenwart, z. B. durch Auflegung seiner Hände, Kranke gesund gemacht, sondern auch viele Abwesende geheilt hat, z. B. die Tochter des kananischen Weibes, den Sohn des Beamten und den Knecht des Hauptmanns, so teilt er nicht bloß bei dem sakramentalen Empfange seines Leibes seine Gnaden aus, sondern auch an die, welche großes Verlangen nach ihm haben. Auch von der geistigen Kommunion dürfen wir die Worte Christi verstehen: "Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken" (Matth. 11, 28). Denn was heißt hier "zu ihm kommen" anderes, als aufs lebendigste an ihn glauben, ihn lieben und alles Gute von ihm hoffen? Christus hat seine Gnaden ja nicht so an die Sakramente gebunden, dass er außerhalb derselben keine austeilen könnte.

24. Wie kann man denn geistiger Weise kommunizieren? Auf diese Frage antwortet der geistreiche Bischof Fornerus von Hebron: "Die Kraft der hl. Messe ist so groß, dass alle diejenigen, die ihre Meinung mit des Priesters Meinung vereinigen und der Wirkung des Messopfers teilhaftig zu werden verlangen, zugleich mit dem Priester von diesem Opfer essen und die Frucht dieser geistigen Speise empfangen." Diese Lehre ist sehr tröstlich, denn danach ist es genug, wenn man denkt: "Ich vereinige meine Meinung mit der des Priesters und wünsche, dass ich mit dem Priester kommunizieren könnte und vollen Teil an diesem Opfer haben möge." Die Kraft solcher geistigen Kommunion erklärt er dann mit folgenden Gleichnissen:

"Wie bei einer herrlichen Mahlzeit keiner von den Hausgenossen Hunger leidet, so geschieht es auch bei der hl. Messe, diesem großen Abendmahl, dass kein einziger gegenwärtig ist, der nicht etwas empfängt, sofern er nicht den Mund seines Herzens vor der Hand Christi, die ihm die geistige Speise reicht, verschließt." "Wie in einem Keller mit neuem Wein die Luft mit dem Geruch desselben so erfüllt ist, dass sie einen schon trunken machen kann, so ist an dem Orte der hl. Messe eine solche Fülle der Gnaden, dass sie nicht allein alles Übel von den Anwesenden vertreibt, sondern auch himmlische Süßigkeit über sie ausgießt." Das sind recht gute Vergleiche, um uns die Wirksamkeit der geistigen Kommunion klarzumachen.

25. Im Lehen der Heiligen wird uns öfters erzählt, wie sie dann, wenn sie am wirklichen Genuss des hochheiligen Sakramentes gehindert waren, für ihr herzliches Verlangen in wunderbarer Weise mit dieser Seelenspeise gestärkt worden sind. Aber auch die Kirche selbst lobt als recht und weise die Lehre von der geistigen Kommunion, bei welcher "diejenigen, welche der Begierde nach jenes uns vorgesetzte himmlische Brot essen, mit lebendigem Glauben, der durch die Liebe tätig ist, die Frucht und den Nutzen des Sakramentes merken" (Trid. Sitzg. 13, Kap. 8). Übe also recht oft die geistige Kommunion; lass diese Übung jedesmal deine Andacht bei der hl. Messe sein, wenn du das heiligste Sakrament nicht wirklich empfangen kannst.

Der römische Katechismus, der auf Befehl der Päpste Pius V. und Clemens XIII. herausgegeben ist, sagt: "Es ist ganz klar, dass diejenigen sich der größten und himmlischen Güter berauben, welche, trotzdem sie zum wirklichen Empfange des Leibes des Herrn bereit sein könnten, es für genug halten, nur im Geiste die hl. Kommunion zu empfangen." (II. 4,55)

 


   

   

    
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