Die Erklärung des Heiligen
Messopfers
von Pater Martin von Cochem
1. Im Alten Bunde hatte Gott durch seinen Diener Moses
hauptsächlich vier Arten von Opfern angeordnet, nämlich 1.
Brandopfer zur
Anerkennung und Anbetung der höchsten Majestät Gottes; 2.
Lob- und Dankopfer
für die von Gott empfangenen Wohltaten; 3.
Fried- und Bittopfer,
um neue Wohltaten von Gott zu erlangen; 4.
Sühn- und Bußopfer zur Nachlassung der Sünden und Sündenstrafen.
Jede Art wurde auf besondere Weise dargebracht, und man
konnte nicht zweierlei Opfer auf einerlei Weise verrichten.
2. Vom Anfange der Welt bis auf Christus sind dem
allmächtigen Gott unzählbare Brandopfer dargebracht worden,
welche ihm nach Zeugnis der Heil. Schrift lieb und angenehm
waren. Nach dem Gesetze des Moses mussten die Juden täglich
zwei einjährige, fehlerlose Lämmer als Brandopfer
darbringen, eines des Morgens, das andere am Abend, am
Sabbath aber morgens und abends jedes Mal zwei Lämmer. An
jedem Neumondtag musste der Monat geheiligt werden durch ein
Brandopfer von sieben Lämmern, zwei Rindern und einem
Widder, ebensoviel mussten sie zu Ostern und Pfingsten
sieben Tage nacheinander opfern und zum Laubhüttenfest sogar
sieben Tage hindurch mehr als das Doppelte. Außer diesen
Hauptfesten gab es noch andere, und neben diesen teuren
gebotenen Opfern brachte noch jeder nach seiner Andacht
Rinder, Kälber, Schafe, Lämmer, Widder, Tauben, Wein, Brot,
Weihrauch, Salz und Ölkuchen, alles zu dem obengenannten
vierfachen Opferzweck.
3. Dies alles beschreibe ich deswegen, damit du wissest, was
für teure, mühselige und unsaubere Opfer die alten
Patriarchen und jüdischen Priester früher hatten. Gleichwohl
haben sie mit diesen ihren teuren und mühseligen Opfern Gott
nur geringe Ehre erwiesen und geringen Lohn verdient, wie
der hl. Paulus im Brief an die Hebräer öfter hervorhebt.
Wenn es trotzdem heißt, sie seien Gott zum lieblichsten
Geruch gewesen, so waren sie das nur als Vorbilder des
blutigen Opfers Christi. Daraus nimm ab, wie unglückselig
die Juden waren und wie glückselig wir Christen sind. Denn
der gütigste Jesus hat uns ein Brandopfer hinterlassen,
welches nichts kostet und leicht zu opfern ist und dennoch
der göttlichen Majestät das angenehmste, dem Himmel das
erfreulichste, der Welt das nützlichste und dem Fegefeuer
das tröstlichste ist.
4. Wenn einer alle Schlachtopfer, welche vom Anfange der
Welt bis auf Christus geopfert worden, alle zusammen mit
eigener Hand und höchster Andacht geschlachtet, verbrannt
und Gott aufgeopfert hätte, so hätte ein solcher ohne
Zweifel Gott durch diese vieltausendmal tausend Opfer einen
großen Dienst und besondere Anbetung erwiesen. Aber dieser
Dienst und Gefallen wäre in keiner Weise mit demjenigen zu
vergleichen, welcher der göttlichen Majestät entspringt aus
einer einzigen hl. Messe, gelesen von einem armen Priester
und aufgeopfert von einem einfältigen Laien. Du wirst es
aber einsehen, wenn ich dir erkläre, welches Brandopfer die
katholische Kirche in der heiligen Messe hat.
5. Das jüdische Brandopfer war bestimmt zur Anerkennung der
höchsten Majestät Gottes. Sollen wir das christliche Opfer
mit dem Brandopfer vergleichen, so muss es ebenfalls sein
ein Sakrifizium, für Gott allein bestimmt, in welchem eine
sichtbare Gabe von einem rechtmäßigen Priester zur
Anerkennung der höchsten Herrschaft Gottes über alle
Geschöpfe dargebracht und geheiligt wird. Der hl. Thomas von
Aquin führt aus (Sa 2 II. qu. 86): „Durch solches Brandopfer
bezeugen wir, dass Gott ist der erste Anfang alles Bestehens
und das letzte Ziel und Ende aller Seligkeit sowie der
höchste Herrscher aller Dinge sei. Zur Bezeugung alles
dessen und unserer schuldigen Untertänigkeit geben wir ihm
eine sichtbare Gabe, die seiner höchsten Majestät angemessen
ist, ganz und gar hin.“
6. Dieses hochbedeutungsvolle Opfer hat Gott sich ganz
allein vorbehalten und nie einem anderen zugestehen wollen.
Bei Isaias (42, 8) spricht er: "Ich bin der Herr, das ist
mein Name; meine Ehre gebe ich keinem anderen, meinen Ruhm
nicht den Götzenbildern", ähnlich heißt es ja auch im ersten
der zehn Gebote. Hieraus erkennt man die Hoheit und Würde
des Opfers, weil man es keinem Geschöpf, nicht der
Muttergottes und nicht allen Heiligen zusammen aufopfern
kann, sondern es muss ganz allein Gott als dem Allerhöchsten
dargebracht und aufgeopfert werden. Er hat uns erlaubt, dass
wir seine lieben Heiligen loben, lieben, ehren, anrufen, und
allerhand äußere und innere Dienste erweisen mögen; Er hat
uns aber niemals erlaubt, dass wir ihnen eine Messe oder ein
Brandopfer darbringen. Daher sagt das Konzil zu Trient:
"Wiewohl die Kirche zu Ehren und zum Gedächtnis der Heiligen
zuzeiten einige Messen zu lesen pflegt, so lehrt sie
dennoch, dass nicht jenen das Opfer dargebracht werden darf,
sondern allein Gott, der sie gekrönt hat, weshalb der
Priester nicht sagt: ich opfere dir, Petrus oder Paulus, das
Sakrifizium auf, sondern, indem er Gott für ihre Siege Dank
sagt, ruft er ihre Fürbitte an, damit diejenigen für uns
einzutreten sich würdigen mögen im Himmel, deren Gedächtnis
wir auf Erden feiern" (Sitzg. 22, Kap. 3). Die Kirche lehrt
also, dass man keinem Heiligen die Messe aufopfern darf,
sondern nur Gott. Tun wir das um eines Heiligen willen, so
tragen wir zu dessen größerer Ehre im höchsten Maße mit bei.
7.
Nun wollen wir erklären, wie und in welcher Meinung die
Brandopfer gefeiert wurden, um daraus ihren hohen Wert zu
erkennen. Im Alten Testamente hatten sie ihren Namen daher,
dass bei ihnen alles Fleisch auf dem Altare verbrannt wurde,
was bei den anderen Opfern nicht geschah; bei diesen wurde
vielmehr nur ein Teil verbrannt und das übrige von den
Priestern und den Opfernden gegessen. Beim Brandopfer wurde
darum alles verbrannt, um zu bezeugen, dass Gott alles
zustehe und seiner Ehre und seinem Dienste alles geopfert
werden muss. Wenn er dieses nach strengster Gerechtigkeit
fordern wollte, so könnte er in Seiner strengen
Gerechtigkeit mit gutem Rechte das Leben der Menschen als
Opfer fordern ähnlich wie er dem Abraham befohlen, dass er
seinen Sohn Isaak opfern sollte; er war aber zufrieden, als
er den bereitwilligen Gehorsam Abrahams sah. Im Gesetz hatte
er auch befohlen, man solle ihm die erstgeborenen Kinder
aufopfern, und als Begründung hinzugefügt: "Heilige mir die
Erstgeburt, denn alles ist mein (2.Mos. 13, 2); er begnügte
sich aber damit, dass die Mütter ihm die Kinder zum Tempel
brachten und sie mit Geld auslösten.
8. Endlich musste ihm auch der Sohn Marias als der
Erstgeborene aufgeopfert werden, aber wenn ihn seine Mutter
auch mit fünf Sekel auslöste, war er doch damit noch nicht
zufrieden, sondern das Kindlein musste in seinem Herzen
sprechen: "Schlachtopfer und Gaben hast du nicht gewollt,
einen Leib aber hast du mir zubereitet; an Brandopfern und
Sühnopfern hast du kein Wohlgefallen: Siehe, ich komme,
deinen Willen, o Gott, zu erfüllen" (Hebr. 10, 5ff.). So bot
er schon beim Eintritt in die Welt seinen Leib als Opfer an,
und seine Mutter, wenn sie ihn auch losgekauft hatte, musste
ihn dennoch später hergeben, dass er gepeinigt, geschlachtet
und getötet würde, auf dass durch diesen kostbaren Tod alle
Menschen von der Schuldigkeit, ihr Leben Gott hinzuopfern,
befreit würden. Davon spricht St. Paulus (2. Kor. 5,14f.):
"Ist einer für alle gestorben, so sind alle gestorben, und
für alle ist Christus gestorben." Weil nämlich sein Leben
viel edler war als das Leben aller Menschen
zusammengenommen, so ist sein Tod allein viel mehr wert als
der Tod aller Menschen. Weil nun Christus in jeder Messe
Gott wieder als Opfer dargebracht wird, so empfängt der
himmlische Vater mehr Ehre aus einer Messe, als wenn alle
Menschen ihm ihr Leben als Opfer bringen würden.
9. Deswegen spricht Pater Gervasius: „Das hl. Messopfer ist
unter allen Werken der Andacht und Gottseligkeit darum das
allervorzüglichste“ Warum? Weil wir darin nicht so sehr mit
Worten als vielmehr durch das Werk bezeugen, dass wir zu
seiner Ehre unser Leben hinzugeben verpflichtet sind, dass
Gott das Recht hat, das Opfer unseres Lebens von uns zu
erhalten. Es ist dasselbe, wie vorzeiten ein jüdischer
Priester beim Opfer gesagt hatte: Gleichwie ich hier das
Lämmlein Gott zu Ehren schlachte, so könnte auch Gott als
der höchste Herr, wenn er wollte, uns allesamt vernichten.
Denn er ist durchaus würdig, dass unser Leben ihm zu Ehren
hingegeben würde, was ich durch das Schlachten dieses
Opferlammes bezeuge, an dessen Stelle eigentlich mein
eigenes Leben aufgeopfert werden müsste."
10. Darum sagt Pater Sanchez: "In der hl. Messe leisten wir
Gott solchen Dienst und Ehre, dass Größeres ihm nichts auf
der Welt geleistet werden kann. Denn wir bezeugen, dass
seine Majestät so groß und mächtig sei, dass ihm nicht das
Leben von Kälbern und Böcken, sondern das allerkostbarste
Leben und teuerste Blut des allerhochwürdigsten Sohnes
Gottes aufgeopfert werden muss." Beachte doch, was dieser
Gelehrte von der Kostbarkeit der hl. Messe sagt und was für
eine gewaltige, ja unendliche Ehre wir dadurch dem
allmächtigen Gott erweisen können. Wolltest du denn nicht
also gerne die hl. Messe besuchen, dass du zugleich mit dem
Priester diese große Ehre deinem wahren Gott und
rechtmäßigen Herrn verschaffest? Wenn du aber die hl. Messe
aus Leichtsinn versäumst, so stiehlst du gleichsam deinem
Gott diese Ehre, die du ihm durch die hl. Messe hättest
erweisen können und sollen.
11. Nun höre noch, was Marchantius sagt: "Was ist die hl.
Messe anderes als eine tägliche Gesandtschaft an die hl.
Dreifaltigkeit mit einem allerkostbarsten Geschenk, welches
wir ihm zur Anerkennung seiner höchsten Herrschaft über alle
Geschöpfe und zum Zeugnis unserer Untertänigkeit aufopfern?
Ihm, als den Urheber des Lebens und des Todes, wird das
Leben und der Tod Jesu Christi als ein täglicher Tribut von
der streitenden Kirche, unter Mitwirkung und in Gegenwart
der triumphierenden Kirche aufgeopfert, damit ihm als dem
einigen und dreifaltigen Gott die höchste Ehre von allen
seinen Geschöpfen geleistet werde und damit auch seine
höchste Macht, Weisheit, Güte und alle unendlichen
Vollkommenheiten, die in diesem Geheimnisse hervortreten,
würdig geehrt werden. Was kann dem höchsten Gott angenehmer
sein, als dass Himmel und Erde zusammen seine große Macht
und Herrlichkeit verehren?"
12. Diese Erklärung des wahren Brandopfers ist so wichtig,
dass man nie unterlassen soll, das Volk darüber zu
unterrichten und ihm dieselbe ans Herz zu legen. Ja, Himmel
und Erde helfen zusammen, um in der Heiligen Messe Gott dem
Herrn in würdiger Weise Ehre und Dank darzubringen. Die
heiligen Engel tragen das Opfer in den Himmel empor und
bringen es Gott dar. Bei diesen Worten können wir uns wohl
des Gebetes erinnern, welches der Priester bald nach der
Wandlung tiefgebeugt spricht: "Wir bitten dich in Demut,
allmächtiger Gott, lass dieses durch die Hände deines hl.
Engels hingetragen werden zu deinem hohen Altar, vor das
Angesicht deiner göttlichen Majestät", und können uns dabei
vorstellen, dass die Engel vom Himmel herabgekommen sind,
wunderbar geschmückt, und mit großer Freude und Andacht um
den Altar knien und den Leib und das Blut Christi anbeten.
Dann dürfen wir uns weiter vorstellen, als ob einer von
ihnen, würdiger noch und schöner als die übrigen, die hl.
Hostie für einen Augenblick zum Himmel trüge und sie dort
dem Angesichte Gottes vorstellte. Ach, noch viel größere
Ehre und Freude ist es, die Gott durch das hochheilige Opfer
empfängt, da ihm dieselbe nicht bloß von Menschen und
Engeln, sondern von Christus selbst erwiesen wird.
13. Die höchste Ehre, welche Gott durch das Brandopfer der
Heiligen Messe erfährt, wird Ihm weder von den Menschen,
noch von den Engeln, sondern von Christus selbst erwiesen.
Denn Christus allein weiß und erkennt die unendliche Größe
und Herrlichkeit der göttlichen Majestät und Er allein weiß
und erkennt, welche unendliche Ehre ihr gebührt. Deshalb
kann nur Er allein, und außer Ihm niemand anders, ihr die
gebührende Ehre erweisen, und Er erweist ihr auch wirklich
in einer jeden Heiligen Messe die unendliche Ehre, welche
der göttlichen Majestät gebührt. Wiewohl die Engel und die
Menschen zur Ehre Gottes viel tun können, so ist doch das
alles gegen die Ehre, welche Christus Ihm erweist, beinahe
für nichts zu schätzen.
14. Gesetzt den Fall, der Türke würde unser Land erobern und
uns drohen, dass er, wenn wir nicht Christus verleugneten,
uns alle aufs entsetzlichste martern und endlich lebendig
verbrennen lassen werde. Wenn wir nun einstimmig
antworteten, lieber zu sterben, als von Christus abzufallen,
und uns dann allesamt peinigen und lebendig verbrennen
ließen, sollte diese heroische Tat dem allmächtigen Gott
nicht aufs höchste gefallen und zu großer Ehre gereichen?
Ohne Zweifel. Gleichwohl aber würde diese große Ehre gegen
die unendliche Ehre, welch der höchsten göttlichen Majestät
gebührt, für nichts zu schätzen sein. Da sich der
eingeborene Sohn Gottes, auf dem Altare
vor der Allerheiligsten Dreifaltigkeit aufs tiefste
erniedrigt, ja gleichsam zu einem verächtlichen Würmlein
macht und ihr in dieser äußersten Verdemütigung die höchste
Ehrfurcht erweist, so ist dies für die allerheiligste
Dreifaltigkeit eine solche Ehre, dass ihr keine größere
erwiesen werden kann.
14. Da sich nun derselbe Sohn Gottes in unsere Gewalt gibt,
auf dass wir ihn als ein unschuldiges Lamm gleichsam
schlachten und der hochheiligen Dreifaltigkeit als wahres
Brandopfer aufopfern sollen, verleihet er uns Gewalt, dass
wir ihr so sehr Ehre und Dienst erweisen können, wie es der
Macht und Erhabenheit Gottes zukommt. Durch etwas anderes
als die hl. Messe können wir dies nicht. Hat uns denn also
der göttliche Heiland nicht die größte Guttat erwiesen,
indem er dieses übergroße Opfer aus lauter Gnaden eingesetzt
hat? Sind wir denn nicht verpflichtet, ihm von Herzen dafür
zu danken und dasselbe zur Abtragung unserer Schuld zu
benützen? Du hast zu Anfang dieses Kapitels vernommen, wie
manches teure Brandopfer die armen Juden dem allmächtigen
Gott geopfert und wie sie sich aufs äußerste befleißigt
haben, ihm seine gebührende Ehre einigermaßen zu leisten. Du
aber hast ein unvergleichlich größeres Opfer, welches dich
nicht einen einzigen Pfennig kostet, sondern dir von
Christus freiwillig geschenkt wird, und zwar zu dem Zweck,
dass du es der heiligsten Dreifaltigkeit aufopfern und ihr
die gebührende Ehre leisten sollst. Du aber wünschest gar
nicht, dieses teure Geschenk anzunehmen und es deinem Gott
und Herrn anzubieten. Das ist gewiss schwer zu verantworten.
Brich daher von deinen Geschäften bisweilen so viel ab, dass
du eine hl. Messe hören und Gott dadurch das Opfer höchster
Anbetung bringen kannst.